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Der Amerikaner - The American

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Titel: Der Amerikaner - The American Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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wollte, und Watters’ Zweifel an seinem Sachverstand waren bald zerstreut. Seine Wünsche waren nicht ungewöhnlich, und Watters hatte alle Artikel auf Lager: eine große Rolle AWG-Kupferdraht, einen
einfachen Kippschalter mit zwei außen liegenden Anschlüssen, eine anständige Drahtschere, Schraubenzieher unterschiedlicher Größe und Isolierband.
    Watters war dankbar, dass der Mann den kleinen Einkauf bar bezahlte. Er konnte nicht wissen, dass sein einziger Kunde an diesem Nachmittag später noch in zwei ähnlichen Läden einkaufen würde, und auch nicht, für welchen Zweck er dieses Material benötigte. Selbst wenn er Misstrauen gehegt hätte, wären seine Befürchtungen durch das höfliche Benehmen und das freundliche Abschiedslächeln des Kunden zerstreut worden.
     
    Im Herzen des Bundesstaates Virginia, weit abseits der geschäftigen Städte Richmond und Norfolk und jenseits des Blue Ridge Parkway, der sich durch die spektakuläre Landschaft schlängelte, lagen die dicht bewaldeten Hügel, wo Touristen nur selten hinkamen und die Zeit fast stehen geblieben zu sein schien.
    Nachts hörte man nur die Grillen, den Gesang der Vögel und den aus nordöstlicher Richtung wehenden Wind, der durch die kahlen Wipfel der Bäume strich.
    Dieser November brachte in Virginia eine meteorologische Anomalie mit sich. Dem Bundesstaat fiel die zweifelhafte Ehre zu, die vormaligen Rekordhalter, was das Ausmaß der Niederschläge angeht, überholt zu haben. Es hatte achtzehn Tage und neunzehn Nächte geregnet, und Will Vanderveen, in der am Hang gebauten Scheune hinter seinem bescheidenen Haus sitzend, begriff angesichts der sintflutartigen Niederschläge, wie sich Noah in seiner Arche gefühlt haben musste.
    Der Gedanke, wie die Fluten das Schiff steigen ließen, gab auch ihm Auftrieb, aber nicht, weil er dabei an Rettung dachte.
    Im Inneren der Scheune hatte sich in der kurzen Zeit nicht viel getan; es gab nur wenige auffällige Veränderungen. An einer
Stelle war das Stroh zur Seite geschafft worden, um Platz zu schaffen für den weißen Ford-Econoline-Lieferwagen, und an der hinteren Wand, gegenüber der Schiebetür, stand jetzt ein großer Holztisch, auf dem eine Unzahl von Werkzeugen lag.
    Außer den bei Watters’ Electrical Supply erstandenen Artikeln hatte Will Vanderveen eine Werkstation mit einer Lampe und einer großen Lupe gekauft, die ihm bei diffizileren Aufgaben von Nutzen sein würde. Die Werkstation stand auf dem Holztisch, und daneben befanden sich eine Lötpistole mit einer Leistung von zwanzig Watt, etwas Antex-Lötdraht, ein digitales Amperemeter und zehn Meter biegsames Isolierrohr.
    Doch dieses Material wäre nutzlos gewesen ohne die beiden Verizon-Handys, die Vanderveen am Stadtrand von Richmond erstanden hatte und die drei Monate für landesweiten Betrieb freigeschaltet waren. Er brauchte sie allenfalls für ein paar Wochen, vermied es aber stets, Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    Während er auf einem harten Holzstuhl saß, geschickt die Werkzeuge bediente und dem leisen Trommeln des Regens auf dem Dach lauschte, schweiften seine Gedanken ab, und er vergaß die Lötstellen und die komplizierte Beziehung von Spannung, Stromfluss und Widerständen in einem Schaltkreis.
    Ihn beunruhigte die Tatsache, dass das Geld nicht direkt an ihn geleitet wurde, was ohne die Einschaltung ihrer eigenen Vermittlerin über die Cayman-Inseln problemlos möglich gewesen wäre. Dadurch wären unnötige Risiken beträchtlich vermindert worden. Andererseits hatte die Frau, die ihm das Geld zugänglich machte, bisher gute Arbeit geleistet.
    Viel stärker beschäftigte ihn eine andere Frau, die Immobilienmaklerin.
    Wenn er jetzt darüber nachdachte, musste er zugeben, einen Fehler gemacht zu haben, und tief in seinem Inneren mahnte
eine leise Stimme, dass er mittlerweile ziemlich viele Fehler machte. Eine Nummer im Stroh war es nicht wert, dafür auch nur das geringste Risiko einer Entdeckung einzugehen. Weil er ihre Bedürfnisse befriedigt und ihre stille Verzweiflung gelindert hatte, musste er damit rechnen, dass ihr an einer Wiederholung lag, und es war durchaus vorstellbar, dass sie ohne Vorankündigung hier auftauchte.
    Er war für das massive Schloss an der Schiebetür dankbar, doch auch ein solches Hindernis ließ sich überwinden.
    Vermutlich hatte er dieser Schwäche nachgegeben, weil er vor Washington und Mashhad zwei Wochen mit Sadrs Beratern in Najaf verbracht hatte und davor über vier Monate in Ramallah. Hätte

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