Der Amerikaner - The American
lagen
noch ein paar Tage Arbeit vor ihm, und da konnte noch einiges schief gehen.
Zuerst verließ North den Parkplatz, und die Sohlen seiner schmutzigen Turnschuhe quietschten, als er schwungvoll von der Mill Road nach rechts in die Eisenhower Avenue abbog. Sobald Kharmai auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, ließ Kealey den Motor an, und hier quietschten die Reifen, als er losfuhr und das Sechs-Gang-Getriebe des Autos voll ausnutzte. Er raste in Richtung Süden, über die Huntington Avenue, und nahm dann die Auffahrt zum Jefferson Davis Memorial Highway, auf dem sie nach hundert Kilometern Washington erreichen würden.
»Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, Ryan?«, fragte Kharmai mit funkelndem Blick und vor Zorn geröteten Wangen.
»Wir brauchten Resultate, Naomi. So wie du es geplant hattest, hätte es nicht funktioniert …«
»Woher willst du das wissen?«, fragte sie laut. »Du hast es mich nicht ausprobieren lassen.«
»Er hat ausgepackt, Naomi. Elgin hat mir den Namen genannt. Er hat den Seefrachtbrief eingesteckt, nur so, weil er hoffte, später ein Geschäft damit machen zu können. Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch keine Ahnung, dass er einen großen Fisch an der Angel hatte. Der Name war viel Geld wert.«
»Wie hast du ihn zum Reden gebracht?«
»Spielt keine Rolle. Der zweite Name auf dem verloren gegangenen Frachtbrief lautete George Saraf. Angesichts des Nachnamens glaube ich, dass es eine andere Identität von Michael Shakib war. Eine direkte Spur zu Vanderveen haben wir damit nicht, aber es ist immerhin etwas.«
»Wie bist du an den Namen gekommen, Ryan?«
Über Virginia hing ein schwaches Sturmtief, und es nieselte wieder. Es waren nur sehr wenige Autos unterwegs, und Kealey war froh, dass er ungestört Gas geben konnte. An den Scheiben flogen in der Dunkelheit gerade die Hinweisschilder für den Nationalfriedhof in Arlington vorbei.
Kealey warf Kharmai einen Seitenblick zu. Ihm war klar, dass sie nicht lockerlassen würde. Also konnte er es ihr genauso gut sofort erzählen. »Ich habe es aus ihm rausgeprügelt, Naomi.«
Ihre Augen weiteten sich ein bisschen, aber sie sagte nichts. Sie hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet.
Einige Minuten herrschte Schweigen. Kharmai lehnte sich zurück, zufrieden, dass sie die Wahrheit erfahren hatte. Weitere Erklärungen erwartete sie nicht, und deshalb war sie überrascht, als Kealey weitersprach.
»Er wollte immer noch nicht reden, verstehst du? Bei Scheißkerlen wie diesem Elgin denkt man, es wäre leicht, aber manchmal überraschen sie einen …« Kealey versuchte, sich davon zu überzeugen, das Thema besser fallen zu lassen und ihr die Details zu ersparen, aber aus irgendeinem Grund schienen die Worte wie von selbst zu fließen. »Ich hatte nur ein paar Minuten Zeit, Naomi. Wir waren an einem toten Punkt angelangt und wussten es beide. Auf unseren Schreibtischen in Langley stapeln sich Papiere, auf deinem noch mehr als auf meinem, aber Schreibtischarbeit bringt uns Vanderveen nicht näher.« Seine Stimme hatte einen schrillen Unterton.
Kharmai wandte sich ab und starrte aus dem Fenster.
Aber Kealey war noch nicht fertig. Seine Linke fuhr hinter seinem Rücken an dem warmen Ledersitz hinab und zog etwas aus dem Gürtel. Dann hielt er ihr das Keramikmesser hin, mit dem
Griff zuerst. »Du hast gefragt, du wolltest es wissen … Jetzt weißt du es. Damit habe ich es aus ihm herausgeholt.«
Zuerst zuckte Kharmai zurück, aber eine seltsame Neugier ließ sie nach dem Messer greifen. Kealey hatte den Holzgriff entfernt, wahrscheinlich weil die Nieten von dem Metalldetektor in dem Gefängnis entdeckt worden wären. Er hatte das hintere Ende mit Isolierband umwickelt, und es war immer noch etwas verschwitzt.
Sie drehte das Messer, und das Licht einer Straßenlaterne fiel auf die Klinge.
Und auf ihre Hand, auf der sie einen roten Streifen entdeckte.
Sie ließ das Messer fallen, und es landete auf der Matte vor ihren Füßen.
»Ich musste ihn überzeugen, Naomi, ihm demonstrieren, dass ich es ernst meine. Eine andere Möglichkeit gab es nicht.«
»Bring mich nach Hause, Ryan«, sagte sie mit schwacher Stimme. Und sie fühlte sich schwach. Sie sah das klebrige Blut auf ihrer Hand, wusste aber nicht, womit sie es abwischen sollte.
Kealey sah in der Dunkelheit weder ihre Hand noch ihr Gesicht. Er zögerte, weil er sich nicht sicher war, wie sie reagieren würde. »Du musst diese Spur weiter verfolgen. Wenn Harper davon erfährt,
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