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Der Amerikaner - The American

Der Amerikaner - The American

Titel: Der Amerikaner - The American Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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fing den Namen seines Vorgängers Muhammed Atef auf, der einer lasergesteuerten amerikanischen Bombe zum Opfer gefallen war. Er hörte den sarkastischen Tonfall eines jungen Kämpfers, der sich in jenen verächtlichen Beleidigungen erging, mit denen man einen Toten bedenken kann, vor dessen Rache man sich nicht mehr fürchten muss.
    Und Hamza wurde Augenzeuge dieser Szene: Ein junges Mitglied der Taliban, vielleicht vierundzwanzig, hielt große Reden vor einem Häuflein anderer Männer. Sein Gewehr lag vergessen im Sand, mehr als einen Meter weit weg. Die Zuhörer quittierten die bissigen, hämischen Kommentare mit zustimmendem Gebrüll und lautem Gelächter, ohne sich der Anwesenheit al-Adels bewusst zu sein, der mit ungerührtem Gesicht seine Makarow-Pistole zog. Dann wurde der Kopf des Redners plötzlich zurückgerissen, und die Zuhörer wichen erschrocken zurück. Al-Adel presste dem jungen
Mann mit den weit aufgerissenen braunen Augen den Lauf der Pistole gegen den Adamsapfel und drückte ab.
    Al-Adel blickte die völlig konsternierten anderen Taliban-Kämpfer an, die Pistole lässig in der rechten Hand haltend. In seinem Rücken standen andere bewaffnete Männer, aber er blickte sich nicht einmal um. Er hatte keine Angst, und er hatte soeben ein Exempel statuiert. Die Aggressivität in den Mienen der jungen Kämpfer wich und machte einer stummen Angst Platz …
     
    Hamza hatte alles mit eigenen Augen gesehen. An die Stelle des Hasses war urplötzlich Begeisterung getreten, wie nach einer geglückten terroristischen Aktion. Doch der Hass schlummerte nur unter einem dünnen Firnis; Vergnügen und Mord waren für al-Adel ein und dasselbe und entsprossen demselben düsteren Abgrund.
    »Hassan, alter Freund, ich muss wirklich gratulieren.« Al-Adels Stimme klang sanft und aufrichtig, und Hamza konnte nicht anders, als Stolz über das Kompliment zu empfinden. »Dieser Amerikaner ist erstaunlich professionell.« Dann, nach einer kurzen Pause: »Aber auch eigensinnig, mürrisch und gerissen. Ich traue ihm nicht.«
    Hamza musste einräumen, dass diese Charakterisierung treffend war, und er selbst war schon vor langer Zeit zu der gleichen Schlussfolgerung gelangt. Während er sich eine Antwort zurechtlegte, zupfte er an seinem strähnigen schwarzen Bart. »Er hilft uns, unsere Ziele zu erreichen, und ist ein guter Ausbilder für unsere Kämpfer. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Ein Mann mit westlichem Aussehen und westlichen Verhaltensweisen, der etliche Sprachen beherrscht, inklusive lokaler Dialekte. Ein Mann, der unseren Leuten den wirklich professionellen Umgang mit Sprengstoff beibringen und ihnen demonstrieren
kann, wie ein exzellenter Scharfschütze aus fünfhundert Metern Entfernung zuschlägt, ohne auch nur ein Zielfernrohr zu Hilfe zu nehmen. Doch am wichtigsten ist, dass er kein Angeber ist und sich nicht über andere stellt … Wie würdest du einen solchen Mann nennen?«
    Al-Adel trank einen Schluck Tee und wandte den Blick ab. Die Antwort lag auf der Hand, aber er wollte der Wahrheit nicht ins Auge blicken, denn wenn das alles stimmte … Wenn das alles stimmte, wäre sein eigener Führungsanspruch fraglich gewesen. »Er ist und bleibt Amerikaner«, erwiderte er gereizt. »Er kann nur gegen uns sein.«
    »Das sehe ich anders, Saif.«
    »Man kann ihm nicht trauen.«
    »Was soll er denn noch tun?«, fragte Hamza ruhig. »Wie viele seiner Landsleute muss er noch töten, bevor du ihm vertraust?«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen, und man hörte nur die leisen Schritte des Geheimpolizisten, der zwischen den unbesetzten Tischen auf und ab ging.
    Hamza wollte den jungen Befehlshaber des militärischen Flügels nicht offen herausfordern, denn damit hätte er riskiert, selbst in den frühen Morgenstunden durch eine Kugel im Schlaf liquidiert zu werden. Loyalität zählte nicht mehr viel, wenn man den Zorn eines anderen anstachelte, und irgendwann schlief jeder ein und konnte sich nicht mehr wehren. Vielleicht würde man ihn auch mit einem Messer töten. Das Ende konnte auf verschiedene Weise kommen, aber er wollte nicht herausfinden müssen, welche es sein würde.
    »Ich verstehe deine Skepsis, weil ich sie teile«, sagte er, das Wort Angst bewusst vermeidend. »Aber es gibt Zeiten, in denen man sich auf das Glück verlassen und es zu seinem Vorteil einsetzen muss. Es ist riskant, diesen Mann als Waffe einzusetzen,
aber wenn wir aufpassen, kann er uns extrem nützlich sein. Er war Soldat, ist aber

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