Der Amerikaner - The American
Beobachtung dazubehalten. Ihrer Meinung nach zwei Tage zu lange, aber so blieb ihr Zeit, Informationen über Peter Hale zu sammeln, jenen General, der Kealeys Entlassungspapiere unterschrieben hatte. Durch diskrete Anfragen fand sie heraus, dass Hale, obwohl man ihm den Oberbefehl über die Achte Armee der U. S. Army in Südkorea angeboten hatte, in den Ruhestand getreten war. In Korea wäre er Drei-Sterne-General geworden, eine Verbesserung für den damaligen Major General. Kharmai fragte sich, ob es vielleicht einen Zusammenhang zwischen dem Verzicht des Generals und Kealeys plötzlichem Abschied von der U. S. Army gab.
Es war nicht schwierig gewesen, den stellvertretenden Direktor davon zu überzeugen, dass sie ein paar Tage Erholungsurlaub brauchte. Obwohl es ihr zuwider war, vor Harper schwach zu erscheinen, benötigte sie doch Zeit, um mit Hale persönlich sprechen zu können. Seine Adresse herauszufinden war schon ziemlich kompliziert gewesen, aber schließlich hatte sie es mithilfe eines Bekannten vom Bundesfinanzamt geschafft.
Sie vermutete zu Recht, dass Harper ihr keine weiteren Informationen über Kealey oder March geben würde, aber sie wollte über beide mehr wissen, um ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Seit jungen Jahren war es ihr ein Anliegen gewesen, Menschen
mit Etiketten zu versehen und hübsch ordentlich in Schubladen zu stecken. Häufig war sie in der Lage, andere allein aufgrund ihrer Handlungen zu klassifizieren, und wenn dies geschehen war, war ihr Urteil so unanfechtbar wie die Stellung der Sonne im Universum.
Wenn General Hale seine Ruhe haben wollte, hat er sich den geeigneten Ort ausgesucht, dachte sie jetzt. Nachdem sie die richtige Abfahrt schon einmal verpasst hatte, musste sie auf der unbefestigten Straße, die zu beiden Seiten von Bäumen und Büschen gesäumt war, zurückfahren. Nach ungefähr zehn Minuten erblickte sie einen verbeulten Briefkasten, auf dem nichts als die Hausnummer stand. Hales Auffahrt war kürzlich asphaltiert worden, aber auch sie war genauso zugewuchert wie die Landstraße.
Zweige kratzten an den Seiten ihres gemieteten Explorer entlang, doch dann waren die Bäume verschwunden, und links und rechts lagen Wiesen mit ungemähtem Gras. Am Ende der Auffahrt sah sie ein großes Landhaus aus der Zeit vor dem amerikanischen Bürgerkrieg, dessen Vorderseite von einem großen weißen Vorbau mit vier dorischen Säulen dominiert wurde, auf dem sich das rötliche Licht der untergehenden Sonne reflektierte. Neben und über den Fenstern gab es Spaliergitter, an denen sich verblühte blaue Glyzinie, Jasmin und Lady-Bankshire-Rosen emporrankten. Obwohl der Winter schon begonnen hatte, roch es noch immer angenehm nach Blumen, als Kharmai ihren Wagen geparkt hatte und auf den Eingang des Hauses zuging.
Auf ihr Klopfen regierte niemand, und als sie die Klinke drückte, musste sie feststellen, dass die Tür abgeschlossen war. Sie ging zur Rückseite des Hauses, wo ein roter Chevy-Pick-up stand, und legte die Hand ihres unverletzten Arms auf die Motorhaube, die noch warm war.
»Was haben Sie da zu suchen?«
Sie wirbelte herum. Vor ihr stand ein großer Mann, der ein verschossenes rotes Flanellhemd, braune Kordhosen und verdreckte Wanderstiefel trug. Sein Haar war weiß, und die Schultern hingen aufgrund seines fortgeschrittenen Alters herab, aber die lebhaften blauen Augen ließen vergessen, dass sein Körper den Jahren nicht unbeschadet getrotzt hatte.
»Ich habe gefragt, was Sie da zu suchen haben.«
Sie streckte ihm lächelnd die Hand entgegen. »Guten Tag, ich heiße Naomi Kharmai und suche General Hale.« Der Mann musterte sie von oben bis unten und drückte mit seiner riesigen Pranke Kharmais zierliche Hand.
»Nun, Sie haben ihn gefunden.«
Kharmai präsentierte ihren Dienstausweis, auf den Hale einen schnellen Blick warf.
»Wie Sie sehen, arbeite ich für die CIA. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen über zwei Soldaten stellen, die in Fort Bragg unter Ihrem Kommando standen.«
Sofort wurde Hales Miene misstrauisch.
»Ich würde es natürlich verstehen, wenn Sie sich telefonisch über mich erkundigen wollen. Die Nummer lautet …«
»Ich kenne die Nummer. Folgen Sie mir.«
Er ging um die Rückseite des Hauses herum, und Kharmai sah eine weiß gestrichene Veranda. In ihren kniehohen Stiefeln mit den hohen Absätzen hatte sie Mühe, ihrem Gastgeber auf dem matschigen Boden zu folgen.
Hale bemerkte es und lachte gut gelaunt. »Für Georgia haben Sie sich
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