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Der Amerikaner - The American

Der Amerikaner - The American

Titel: Der Amerikaner - The American Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Britton
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unterwegs. Es gab ein junges muslimisches Mädchen, vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt, das ein Auge auf ihn geworfen hatte. An ihren Namen erinnere ich mich nicht. Irgendjemand hat ihn mal genannt, aber ich habe ihn vergessen. Ich selbst war damals nicht in Bosnien. Die Informationen stammen von Soldaten, die mit ihm auf Patrouille waren. Wie auch immer, es gab also dieses Mädchen, ein hübsches junges Ding. Sie schenkte Kealey Schokolade, Blumen, irgendwas in der Art. Vermutlich ein Schulmädchen, das sich verknallt hatte. Kealey plauderte immer kurz mit ihr, und die anderen Soldaten machten Witze und sagten, er wolle sie verführen. Eines Tages kommt die Mutter des Mädchens heulend aus dem Haus gerannt und schreit die Soldaten an. Die serbische Miliz hat herausgefunden, dass das Mädchen mit Amerikanern spricht. Sie können sich vorstellen, was dann passiert ist.«
    »Haben sie das Mädchen getötet?«
    »Das allein wäre nicht einmal das Schlimmste gewesen. Sie
haben sie mehrfach vergewaltigt und ihr Gesicht so verunstaltet, dass sie nicht mehr zu erkennen war. Anschließend haben sie ihr, während sie noch lebte, die Eingeweide aus dem Leib gerissen. Ihre Mutter identifizierte sie letztlich anhand eines Leberflecks auf ihrem Bein, und auch sie musste zweimal hingucken, um sicher zu sein.«
    Kharmai erschauerte kurz, aber es lag nur an der kühlen Brise, die über die Veranda strich. Hales Erzählung ließ sie kalt.
    »Kealey begann, den Leuten Fragen zu stellen. Der Anführer der örtlichen Miliz war ein Mann namens Stojanovic, der zu der Zeit keine große Nummer war und nicht viel Macht hatte. Aber Kealey kümmerte das nicht, alle Finger zeigten in dieselbe Richtung. Schließlich suchte er Stojanovic auf, und zwar gegen den ausdrücklichen Befehl seines Kommandeurs. Zwei Tage später haben sie Stojanovic gefunden. Er saß auf einem Stuhl, mit durchgeschnittener Kehle. Außer ihm lagen noch drei tote Leibwächter in dem Haus, die alle durch einen doppelten Kopfschuss getötet worden waren.«
    Wieder hatte Kharmais Frösteln nur mit dem kühlen Abend, aber nichts mit der Story zu tun, die sie innerlich nicht tangierte. »Und das war 1995? Ich dachte, Kealey wäre erst 2001 bei der Army ausgestiegen.«
    »So ist es. Es gab nicht genug Beweise, um ihn vor ein Kriegsgericht zu stellen, und ich kann Ihnen versichern, dass auch kein großes Interesse daran bestand. Es hat eine Voruntersuchung gegeben, die aber bald eingestellt wurde. Alle befragten Soldaten haben sich vor Kealey gestellt, der bis zu diesem Zeitpunkt eine Bilderbuchkarriere hingelegt und nur beste Beurteilungen hatte. Es wurde bereits gemunkelt, er solle Kommandeur einer Kompanie werden, aber nach dem Vorfall war seine Karriere im
Arsch.« Hale lachte und schüttelte dann den Kopf. »Entschuldigen Sie meine Ausdrucksweise. Wenn man so lange mit Soldaten zusammen war, passiert das gelegentlich.«
    Kharmai lächelte verständnisvoll und zeigte auf die Bierflasche ihres Gastgebers. »Ich glaube, ich könnte doch eins gebrauchen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Der alte Soldat sprang auf. »Klar, meine Flasche ist sowieso leer.« Als er im Haus verschwand, blieb Kharmai mit ihren Gedanken allein. Mein Gott, was für ein Mann ist das? Kealey hatte sein Leben riskiert und eine vielversprechende Karriere ruiniert, und all das wegen eines kleinen Mädchens, das er nicht einmal kannte … Wer würde so etwas tun? Obwohl sie es keineswegs guthieß, dass er sich von Gefühlsregungen hatte leiten lassen, musste sie eingestehen, dass Kealey einmal mehr in ihrer Achtung gestiegen war.
    Hale kam zurück und reichte ihr eine Bierflasche. Er setzte sich wieder, trank einen großen Schluck und ließ den Blick in die Ferne schweifen. Von der Sonne war nur noch ein winziges Stück zu sehen, und es schien fast, als stünde der ganze Horizont in Flammen. Als sie sich ihm zuwandte, bemerkte Kharmai Hales nachdenkliche Miene.
    »Nach der Geschichte in Bosnien kam Kealey nach Fort Bragg, wo er meinem Kommando unterstand. Natürlich waren mir Gerüchte über ihn zu Ohren gekommen, bevor er persönlich in meinem Büro aufkreuzte, um sich zum Dienst zu melden. In der Army haben alle eine Geschichte, und jeder mag es, die Fakten zu beschönigen. Es ist leicht, sich eine Story auszudenken, wenn niemand weiß, ob sie erlogen ist oder nicht, und keine Möglichkeit hat, es herauszufinden. Aber ich wollte es wissen und habe ihn geradeheraus gefragt … ›Haben Sie diese

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