Der Amerikaner - The American
meldete. Sie blieb ruhig und beklagte sich nicht, doch eigentlich war ihre stille Enttäuschung noch viel schwerer zu ertragen. Er schwor sich, alles wieder gutzumachen, wenn er zurück an der Ostküste war. Wahrscheinlich wäre Harper noch verärgerter, wenn er nach einem Kurzbesuch in Langley gleich nach Maine aufbrach, aber er wusste, was ihm wichtiger war.
Es hatte eine Weile gedauert, bis es ihm klar geworden war.
Naomi Kharmais Name war nicht erwähnt worden, weder von ihm noch von Katie. Er hoffte, dass sie ihm genug vertraute, in dieser Hinsicht nichts zu befürchten, doch das kam ihm selbst töricht vor. Er hatte sie geküsst. Nein, das stimmte nicht ganz. Naomi hatte ihn geküsst. Aber er hatte den Kopf auch nicht gerade blitzartig zurückgezogen, oder? Er verdrängte den Gedanken sofort und beschloss, ein wenig zu schlafen.
Es schienen erst ein paar Minuten vergangen zu sein, als jemand an die Tür klopfte. Gillian Farris trat ein. Ihr leuchtend rotes Haar stand in einem auffälligen Kontrast zu der weißen Wand hinter ihr.
»Der Botschafter würde Sie gern in zwanzig Minuten sehen, Mr Kealey«, sagte sie. »Miss Kharmai habe ich bereits geweckt. Darf ich ihm ausrichten, dass Sie kommen werden?«
Kealey lachte und rieb sich den Schlaf aus den Augen. »Ja, Sie dürfen ihm ausrichten, dass ich komme, Miss Farris. Es wäre bestimmt
keine gute Idee, den Botschafter warten zu lassen, oder? Ist es möglich, noch ein Frühstück zu bekommen?«
»Eigentlich ist jetzt eher die Zeit fürs Mittagessen, aber wir werden schon etwas finden.« Ihr Blick fiel auf Kealeys nackten, durchtrainierten Oberkörper. »Vielleicht sollten Sie aber ein Hemd anziehen. Wahrscheinlich trainiert der Botschafter nicht so gern im Fitnessstudio wie wir«, fügte sie mit einem Augenzwinkern und einem bezwingenden Lächeln hinzu, bevor sie den Raum verließ und die Tür hinter sich schloss.
Während sich ihre Schritte entfernten, musste Kealey über ihre Bemerkung lachen. Er schüttelte amüsiert den Kopf. Das konnte er Katie erzählen, wenn auch nur, um sich über ihre eifersüchtige Reaktion zu belustigen. Er ging ins Bad, wo er schnell duschte, sich rasierte und sich die Zähne putzte. Dann zog er die neuen Kleidungsstücke an, die jemand von der Botschaft besorgt hatte. Wahrscheinlich Farris, denn sie waren geschmackvoll und passten bemerkenswert gut.
Als er gerade das Hemd anzog, klopfte es erneut. Diesmal war es Kharmai.
»Hallo«, sagte er. »Gut geschlafen?«
»Nein«, antwortete sie schroff. Er schloss die Tür und ging mit ihr den Korridor hinab. »Was hatte Harper zu sagen?«
»Er wollte wissen, wie ich es geschafft habe, am Flughafen die Beretta durch die Sicherheitskontrolle zu schmuggeln. Ich habe geantwortet, er soll sich bei seinen Technikexperten erkundigen. Ansonsten hat er eine Weile genörgelt, dann aber gesagt, wir hätten gute Arbeit geleistet.«
Sie lachte freudlos. »Hört sich gut an, aber ich glaube nicht, dass wir wirklich etwas erreicht haben.«
Er blickte sie überrascht an. »Was meinst du?«
»Was wissen wir denn eigentlich, das wir nicht schon vorher
gewusst hätten? Seinen wirklichen Namen? Ich glaube kaum, dass er ihn noch mal benutzen wird. Und ich halte gar nichts von der Observation seiner Familienangehörigen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass jemand, der es geschafft hat, acht Jahre lang der Verhaftung zu entkommen, nicht auf die Idee kommen wird, mal eben nach Hause zu reisen, um Nichten und Neffen einen Besuch abzustatten. Dafür ist er zu clever.«
Kealey antwortete nicht.
Als sie den Vorraum des Büros des Botschafters erreichten, lenkte Kharmai etwas ein. »Es tut mir Leid, wir haben etwas erreicht. Vielleicht könnten wir …«
Er wischte die Entschuldigung mit einer Handbewegung vom Tisch. »Nein, du hast Recht.« Er schwieg kurz. »Erinnerst du dich, was Gray zuletzt zu mir gesagt hat?«
»Nein, ich habe es nicht verstanden.«
»Er hat gesagt: ›Die Lieferung ist schon in Washington eingetroffen. Es ist zu spät, um ihn noch aufzuhalten. Er wird sie sich alle vorknöpfen.‹«
Kharmai blickte ihn an. »Und was hat das zu bedeuten, ›sie alle‹?«
»Denk mal nach, Naomi. Senator Levy wurde getötet, weil er eine Allianz mit den Franzosen und Italienern geschmiedet hat. Wer kommt im November nach Washington?«
»Chirac und Berlusconi.« Sie riss die Augen auf, als sie Kealeys Gedanken begriff. »Mein Gott, glaubst du wirklich …?«
Kealey zuckte die Achseln. »Warum
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