Der amerikanische Architekt
s. Kurz darauf griff sie sich nacheinander die drei Fernbedienungen und schaltete die Geräte aus. Dann wandte sie sich mit neuer Sanftheit an Sean und sagte: »Also, Sean, was machen Sie so, abgesehen davon, dass Sie Frauen vor sich selbst schützen? Wo leben Sie, ach, vergessen Sie es, Sie haben ja gesagt, dass Sie keine Bleibe mehr haben. Nicht für immer, hoffe ich. Was arbeiten Sie?«
Er dachte an die Zeiten, in denen er Bilder aufgehängt und Kacheln verfugt hatte. An den kratzigen Anzug – für Patricks Beerdigung gekauft, für seine Vorträge hervorgeholt –, den er trug. »Ich stecke gerade in einer Übergangsphase«, sagte er. »Und Sie?
Sie studierte an der Columbia University Literatur und Wirtschaftswissenschaften. Wieder spürte er den Stachel von »Bigotterie = Idiotie«.
»Sie haben uns beleidigt«, sagte er. »Mit Ihrem Schild. Haben Sie das an der Uni gelernt?«
»Nein, den Spruch auf dem Schild habe ich mir selbst ausgedacht. Vielleicht war es keine sehr kluge Wahl. Aber ich finde wirklich, dass Bigotterie idiotisch ist. Das soll nicht heißen, dass ich Sie für bigott halte, nur weil Sie gegen den Entwurf für die Gedenkstätte sind. Aber ich wüsste gern, wieso Sie dagegen sind.«
»Weil es ein islamischer Garten ist«, sagte er. Er suchte nach Worten und bediente sich erneut bei Debbie. »Ein Paradies für Mörder. Ein Versuch, uns zu vereinnahmen, uns zu kolonisieren.«
»Wirklich?«, sagte Zahira. »Ich dachte, es sei einfach nur ein Garten. Ehrlich, Sean, selbst wenn er Elemente hat, die mit traditionellen islamischen Gärten übereinstimmen, heißt das doch lange nicht, dass er ein Paradies ist. Und selbst wenn Mr Khan bewusst versucht hätte, ein Leben nach dem Tod ins Spiel zu bringen, heißt das auch nicht, dass er versuchen will, Terroristen zu ermutigen. Genauso gut könnte es ein Versuch sein, alle Muslime daran zu erinnern, dass sie nie ins Paradies gelangen werden, wenn sie tun, was diese Männer getan haben. Und? Ist meine Theorie abwegiger als Ihre?«
Sean wusste keine Antwort. Sie fuhr fort: »Aber meiner Überzeugung nach kann kein Architekt das Paradies schaffen. Das kann nur Gott. Wenn Muslime an das Paradies denken, an die Hoffnung, hinzugelangen, an das Wunderbare daran, dass diese Möglichkeit besteht – denken wir nicht an Bäume oder seidene Gewänder oder Schmuck oder schöne Frauen oder Lustknaben oder was auch immer man Ihnen eingeredet hat, sondern an Gott. Gott! Die Beschreibung des Paradieses im Koran ist nur ein Versuch, unserer beschränkten Vorstellungskraft die Verzückung zu vermitteln, die wir in Gottes Gegenwart empfinden werden. Und das sollte uns Inspiration sein, ein rechtschaffenes Leben zu führen.«
Sean spürte ihren Worten nach, als seien sie ein Pfad, auf dem er hoffte, etwas zu finden, was er verloren hatte. Er sagte das Einzige, was ihm einfiel, nämlich: »Es tut mir leid, ehrlich leid.«
»Meinen Sie das ernst?«, fragte sie argwöhnisch, plötzlich winzig hinter dem Schreibtisch. Sie waren wie zwei Kinder, die im Büro ihres Vaters so taten, als seien sie erwachsen, obwohl Frank, ein Feuerwehrmann, nie ein Büro gehabt hatte. Zahiras Vater hatte sicher eins gehabt – schließlich studierte sie an der Columbia.
»Ja, ich meine es ernst. Es tut mir leid, dass ich Ihnen das Kopftuch abgerissen habe.«
Sie betrachtete ihn mit hübschen, misstrauischen Augen und sagte dann: »Dann sollten Sie das auch öffentlich sagen, als Botschaft an all jene, die Sie nachahmen.«
»Das ist genau das, was Issam Malik will«, sagte er. Sie errötete und stellte mit ruhiger Stimme klar: »Ich will es auch.«
Er kaute eine Weile auf seiner Unterlippe herum, nickte dann als Zeichen seiner Zustimmung und stand auf. Während ihrer Abwesenheit hatte Malik den Konferenzraum mit Reportern vollgepackt und Sean gab sich Mühe, sich seine Verärgerung darüber nicht anmerken zu lassen. Zusammen mit Zahira ging er zu einer Stelle, die von Mikrofonen umstanden war. Sie roch nach Kaugummi, oder vielleicht war das auch nur eine Erinnerung an den Geruch der Dawson-Mädchen. Malik baute sich auf Seans anderer Seite auf.
Sean stellte seine Sporttasche ab und räusperte sich. »Es tut mir leid, dass ich Zahira Hussain das Kopftuch abgerissen habe, und ich habe mich eben persönlich bei ihr dafür entschuldigt«, sagte er und ließ den Reportern Zeit, seine Worte mitzuschreiben. »Was ich getan habe, war falsch. Wenn jemand anderes es tut, ist es ebenso falsch.
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