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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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seine Worte klangen, machte ihn verlegen. »Nein, danke, wirklich, es geht mir gut.«
    »Gut, gut, gut, geht es Ihnen wirklich gut?« Das kam von Lou Sarge. Ohne weitere Umschweife führte er Mo ins Studio. Sie nahmen auf sich gegenüberstehenden Stühlen Platz. Das Mikrofon hing zwischen ihnen wie ein umgekehrtes Periskop, ein Auge, das sich suchend in die Tiefe bohrte. Das Studio war dunkel, fahl: ein Ort, der allem die Farbe aussaugte.
    Es war Paul gewesen, der darauf bestanden hatte, dass Mo das Interview machte, eine weitere Anweisung, die sich als Bitte tarnte. »Sie müssen ins Herz der Opposition vordringen«, hatte Paul beharrt. »Denen zeigen, dass sie nichts von Ihnen zu befürchten haben. Wenn es Ihnen gelingt, Sarge auf Ihre Seite zu ziehen, neutralisieren Sie einen großen Teil des Wahnsinns da draußen.« Er gab ihm allerdings keine Tipps, wie er es schaffen sollte, einen Mann, für den alle Muslime »durchgeknallte Turbanträger« waren, auf seine Seite zu bringen.
    Sarge setzte seine Kopfhörer auf, damit er merkte, wann die Werbepause vorbei war, und schien sich so tief in sich selbst zurückzuziehen, dass er Mo kaum noch wahrnahm. In dem schalldichten Studio, einem feindseligen Mutterleib, hörte Mo nur seinen eigenen Atem.
    »Nun denn, Mohammad – ich darf Sie doch Mohammad nennen?«, fragte Sarge nach einer Weile.
    »Ich ziehe Mo vor. So nennen mich alle.«
    »Also gut, Mo, das Ganze wird folgendermaßen ablaufen. Kommen Sie ein bisschen näher – ich beiße nicht. Wir werden uns ein paar Minuten unterhalten, dann nehmen wir Anrufe entgegen. Sie selbst werden die Anrufer nicht hören – unserer Erfahrung nach ist es für Gäste zu verwirrend, die manchmal etwas konfus formulierten Fragen der Anrufer zu verstehen. Deshalb werde ich die Fragen für Sie wiederholen. Sie sprechen einfach ins Mikrofon, aber Sie müssen es dabei nicht ablecken. Das ist alles. Übrigens sind wir sehr froh, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind. Hat man Ihnen etwas zu trinken angeboten?«
    Mo, der nicht damit gerechnet hatte, dass Sarge so charmant sein würde, so freundlich, war völlig entwaffnet. In den wenigen Minuten, die sie noch hatten, während die Werbung lief, fing Sarge an, von sich selbst zu erzählen, dass er sich kurzzeitig auch als Architekt betätigt hatte – »Buckminster Fuller-Zeug, Sachen in der Art« –, bevor er beim Radio landete. »Meine Entwürfe waren mitten aus der Zukunft herausgegriffen«, sagte er, »aber so was in der Gegenwart zu verkaufen, ist verdammt schwer. Als selbstständiger Architekt hat man es wirklich nicht leicht, Sie wissen sicher, was ich meine. Es ist ja nicht damit getan, in einem Zimmer zu sitzen und zu zeichnen, das wäre, als wollte man durch Masturbation Kinder machen. Man braucht jemanden, der die Sachen auch bauen will, was im Grunde genommen heißt, man braucht jemanden, der an das glaubt, was man macht. Ich konnte nie jemanden dazu bringen, an meine Sachen zu glauben. Oh, ich weiß, was Sie jetzt denken: Dass ich inzwischen ziemlich gut darin bin, die Leute dazu zu bringen, an praktisch alles zu glauben. Aber genau das ist es – ich habe damals das Falsche verkauft. Die Leute wollten nicht meine Entwürfe, sie wollten meine Stimme. Meinen Mut. Ich habe keine Angst, während alle anderen Angst haben, den Mund aufzumachen – weil man sie für anti-irgendwas halten könnte, oder für phobisch, oder für rassistisch, oder für was auch immer. Man muss sich in den historischen Moment hineinfühlen, die Zeitströmung erspüren, ihre Richtung erkennen.« Er hob die Hände, als wolle er die Luft zerteilen. »Und dann muss man sich daran anpassen. Sich sozusagen daran ankuscheln.«
    »Ich werde es mir merken«, sagte Mo, der allmählich genug hatte von diesem Monolog und sich seine Energien für die Sendung aufsparen wollte.
    »Okay. Zeit, den Sponsoren Honig um den Bart zu schmieren. Allein heute drei neue. Als wir sagen konnten, dass Sie kommen würden, wollten alle dabei sein.«
    Nachdem Sarge den Honig verschmiert hatte, wandte er sich an seine Zuhörerschaft. »Wir haben in dieser Sendung schon viel über Mohammad Khan gehört, wenn Sie wissen, was ich meine, daher freue ich mich, Ihnen heute mitteilen zu können, dass wir ihn höchstpersönlich hier bei uns im Studio haben. Wir können mit ihm reden, statt nur über ihn, und aus seinem Mund hören, was er zu sagen hat. Er ist Architekt und, nun ja, wir alle wissen, welcher Religion er angehört. Und er

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