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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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natürlich. Die Gelder dafür aufzubringen wird unter den gegebenen Umständen schwieriger sein, möglicherweise sehr viel schwieriger. Die Gedenkstätte könnte in jahrelange Kontroversen verstrickt werden, in endlose Rechtsstreitigkeiten. Ist das, was wir damit aussagen wollen, diesen Preis wert?«
    »Aber wenn der Bewerber herausfindet, dass wir ihm den Sieg vorenthalten haben, könnte er uns auch verklagen«, warf Violet besorgt ein.
    »Überlassen Sie die rechtliche Seite mir«, sagte Wilner. »Er wird überhaupt nichts herausfinden.«
    Claire, deren Stimme laut, fast aggressiv klang, unterbrach ihn. »Ist das Ihr Vorschlag? Dass wir unsere Entscheidung verwerfen, obwohl die Mehrheit von uns der Meinung war, dass der Garten der beste Entwurf ist? Das wäre ein absoluter Verrat an allem, was dieses Land ausmacht, wofür es steht. Mein Mann würde sich im –« Sie brach ab. »Mein Mann wäre außer sich, wenn er noch am Leben wäre«, führte sie den Satz mit wiedergewonnener Ruhe zu Ende.
    »Aber Ihr Mann ist nicht mehr am Leben, Claire. Genau deswegen sind wir hier.« Der Historiker wollte sanft klingen, aber es gelang ihm nicht. »Die Geschichte schafft ihre eigenen Wahrheiten, neue Wahrheiten. Sie kann nicht rückgängig gemacht werden, wir müssen akzeptieren –«
    »Unsinn«, unterbrach sie ihn in einem Ton, der fast wie ein »Halt die Klappe« klang. »Dinge – Ideale – verändern sich nur, wenn wir es zulassen. Und wenn wir das tun, haben die anderen gewonnen.«
    Elliott, der Kritiker, mischte sich ein. »Meine Sympathien liegen in diesem Fall ganz bei den Muslimen – ich weiß, Sie werden das richtig verstehen, Bob. Gerade haben die Dinge angefangen, sich für sie wieder zu normalisieren, und die Reaktion auf diese Geschichte könnte ein echter Rückschlag für ihr Bemühen um Akzeptanz sein. Auch wenn es also im Interesse dieses einen speziellen Muslims sein dürfte, die Ausschreibung zu gewinnen, ist es vielleicht nicht unbedingt im Interesse aller anderen. Wir können die Interessen eines Einzelnen nicht über das Wohl vieler stellen. Wir wollen nicht der Anlass dafür sein, dass sie aufs Neue unter Beschuss geraten.«
    »Richtig«, sagte die Assistentin des Bürgermeisters. »Zu ihrem eigenen Besten wäre es vielleicht gut, das Ergebnis zu – zu – nein, nicht abzuändern, aber vielleicht darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht einen anderen Weg gibt, zu einem Ergebnis zu gelangen, das anders aussehen könnte – oder natürlich genauso –, zu ihrem Besten. Wie gesagt, nur etwas, worüber wir nachdenken sollten. Was wäre die beste Lösung für alle? Dann können wir uns überlegen, wie wir dahin gelangen.«
    »Sie hat recht«, sagte Wilner. »Claire, Sie wissen, dass ich Sie und Ihren Verlust respektiere. Aber Sie sind verrückt, wenn Sie denken, wir könnten so tun, als hätten wir einen ganz normalen Gewinner ausgewählt.«
    Claires Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst. Paul sah, dass sie sich an diesem Abend auf gar keinen Fall umstimmen lassen würde, und schlug vor, sich bis auf Weiteres zu vertagen, damit er Khans Eignung noch einmal überprüfen lassen konnte. »Wie ich es bei jedem anderen Bewerber auch tun würde«, beeilte er sich hinzuzufügen. Ende der Woche, sagte er, würden sie sich das nächste Mal treffen. »Und bis dahin – kein Wort zur Presse. Oder zu irgendwem sonst. Sie dürfen nicht einmal mit Ihren Familien darüber reden.«
    »Ich habe es Ihnen gesagt, Paul, aber Sie wollten ja nicht hören«, musste Wilner unbedingt noch loswerden, bevor er ging. Er klang fast triumphierend. »Ich habe Ihnen gesagt, wir sollten die Finalisten zu einem Gespräch einladen, statt ihre Anonymität bis zum Ende beizubehalten. Dann hätten wir diesen Schlamassel jetzt nicht am Hals. Er wäre Finalist gewesen, bloß hätte er eben nicht gewonnen . Wir hätten liberal ausgesehen, säßen aber nicht in dieser Patsche. Sie haben uns ganz schön in die Scheiße geritten, Paul.«
    Paul hatte seinen Mitarbeitern in der Bank immer eingeschärft, selbst die unwahrscheinlichsten Eventualitäten einzukalkulieren. Ihre Unwahrscheinlichkeit machte sie nicht unmöglich, dass sie wahrscheinlich nie eintreffen würden, machte die anfallenden Kosten nicht geringer, wenn sie es doch taten. Und jetzt war die unwahrscheinlichste aller unwahrscheinlichen Eventualitäten eingetreten. Tatsächlich? Wieso war er bloß nie auf den Gedanken gekommen, dass so etwas passieren

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