Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
Vom Netzwerk:
könnte? Vorgestellt hatte er sich Auseinandersetzungen über die Kosten für den Erhalt des Gartens, oder über die Anordnung der Namen der Opfer, oder ob man die Namen der Rettungshelfer gesondert aufführen sollte. Aber so etwas – niemals.
    »Wenn Sie sich bitte erinnern wollen, Bob, war ich derjenige, der gegen eine offene Ausschreibung war, und es war meine Idee, die Finalisten überprüfen zu lassen.«
    »Und was hat das gebracht?«, gab Wilner zurück. Bedrückt und niedergeschlagen sammelten die Juroren ihre Sachen ein, verabschiedeten sich und überließen Paul den Vorsitz über eine Versammlung zerknüllter Servietten und verschmierter Gläser. Mussten Muslime denn alles kaputtmachen, was sie anfassten? Es erschreckte Paul, dass diese vorwurfsvolle Frage ihm so unvermittelt durch den Kopf schoss.
    Nach einer Weile stemmte er sich hoch, verließ das Gebäude und bestieg seine schwarze Lincoln-Limousine (»Satanslimousine«, sagte sein Sohn Samuel dazu.) Vladimir steuerte sie sanft durch das Tor von Gracie Mansion und bog in die absolut ausgestorbene East End Avenue ein. Einen Block weiter westlich, wo noch ein Rest Verkehr herrschte, sah Paul einige seiner Juroren an unterschiedlichen Straßenecken stehen und nach Taxen Ausschau halten. Alle gaben vor, nicht zu sehen, dass die anderen genau dasselbe taten. Paul konnte keinem von ihnen anbieten, ihn mitzunehmen, ohne alle mitnehmen zu müssen, und er wollte keinen von ihnen bei sich haben. Vladimir fuhr weiter. Aber das Bild seiner Juroren, die sich in alle Winde zerstreuten wie lose Blütenblätter, kam ihm in den nächsten Stunden fast ebenso oft in den Sinn wie Mohammad Khans Name.

3
    S ein Name war der Grund dafür, dass sie ihn am Flughafen von Los Angeles bei der Sicherheitskontrolle aus der Schlange herausholten, als er nach New York zurückfliegen wollte. Der Anschlag lag eine Woche zurück, der Flughafen war, bis auf die Patrouillen der Nationalgarde, praktisch leer. Mos Tasche wurde auf den Kopf gestellt, während er selbst zur Befragung in einen fensterlosen Raum geführt wurde. Die Gesichter der Beamten waren freundlich, frei von jeder Andeutung, er habe sich etwas zuschulden kommen lassen. Eine »Informationsbefragung« nannten sie das Ganze.
    »Sie sagen also, Sie sind Architekt?«
    »Ja, bin ich.«
    »Haben Sie Beweise dafür?«
    »Beweise?«
    »Beweise.«
    Mo fischte eine Visitenkarte hervor und bedauerte, dass die Gotham-Schrift seinen vollen Namen, MOHAMMAD KHAN , geradezu herausplärrte, obwohl die Agenten, inzwischen vier von ihnen, ihn natürlich sowieso kannten. Auf dem an eine Schule erinnernden Metalltisch zwischen ihnen entrollte er einen dünnen Satz Baupläne und fing an, sie durchzublättern. »Die hier sind für das neue Theater, das ich – das wir – in Santa Monica bauen. Die Los Angeles Times, Architect’s Newspaper und Metropolis haben darüber berichtet.« Er deutete auf den Firmennamen in der Ecke der Blaupausen, ROI , der, da war er sicher, bekannt genug war, um ihm ein gewisses Maß an Anerkennung einzubringen. Die Beamten zuckten nur die Schultern und beäugten die Pläne voller Misstrauen, so als habe er die Absicht, ein Gebäude in die Luft zu sprengen, das nur in seiner Fantasie existierte.
    »Wo waren Sie während der Anschläge?«
    »Hier. In Los Angeles.« Nackt in seinem Hotelbett, der Anschlag eine Collage aus Geräuschen, die aus dem Radiowecker drangen – panische Sirenen, sich überschlagende Sprecherstimmen, Hubschrauber, die die Luft aufwirbelten, das dumpfe Geräusch der Implosion. Erst als die Gebäude eingestürzt waren, kam er auf den Gedanken, den Fernseher einzuschalten.
    »Hier«, wiederholte er. »Ich hatte an der Theaterbaustelle zu tun.« Das stimmte. Vor allem aber hatte er sich nach New York zurückgesehnt. Das südliche Kalifornien war wie ein weißes Kleid auf einer Beerdigung, passte so gar nicht zu dieser nationalen Tragödie. Seine Sonne und seine gletscherweißen Lächelzähne strahlten weiter, als sei nichts geschehen; seine superschlanken Körper und seine künstlichen Brüste wurden nach wie vor zur Schau gestellt. Sogar das herrliche Farbenspiel seiner Sonnenuntergänge wirkte wie eine filmische Verhöhnung der Feuer, die zu Hause brannten.
    Jeder Tag erbrachte weitere Beweise dafür, dass die Urheber der Anschläge Muslime waren, die als Märtyrer auf direktem Weg ins Paradies gelangen wollten, und Mo war auf Misstrauen gefasst, als er zur Theaterbaustelle zurückkehrte. Ein

Weitere Kostenlose Bücher