Der amerikanische Architekt
Verdächtigungen«, sagte Malik.
»Oh nein«, gab Sarge zurück. »Es ist Mohammad Khan, der verdächtige Mauern errichtet.«
Malik musste unwillkürlich lächeln, während Thomas, Alice und Mo den Blick einhellig auf die Space Needle richteten. »Er hat uns in die perfekte Zwickmühle gebracht«, redete Sarge weiter. »Wenn wir die Gedenkstätte bauen, ist sie ein Paradies für Märtyrer, das unseren Feinden Ermutigung sein wird. Wenn wir sie nicht bauen, werden diese Feinde uns die Hölle heiß machen, weil wir einen Moslem diskriminieren.«
»Nein, Lou, das mit der Zwickmühle waren Sie selbst. Wenn Khan für seine Rechte eintritt, ist er ein aggressiver, wütender Moslem, der einen heimlichen Dschihad führt. Wenn er einen Rückzieher macht, gibt er praktisch zu, dass er von Anfang an keinerlei Rechte hatte.« Mo hegte die insgeheime Hoffnung, dass Malik seine Seite auch weiterhin vertrat, weil Laila dafür gesorgt hatte. Wahrscheinlicher war jedoch, dass er immer noch glaubte, aus Mos Fall maximalen Profit schlagen zu können.
»Das ist doch lächerlich«, regte Sarge sich auf. »Es sind seine Rechte – da sind wir uns alle einig. Aber er könnte den Anstand haben, sie nicht wahrzunehmen.«
Mo war sich nicht sicher, wieso es ihm unangenehm war, das alles in Gegenwart von Thomas und Alice zu hören. Aus Freundschaft, aus tief verwurzelter Loyalität, würde Thomas nicht einmal sich selbst gegenüber eingestehen, dass auch er der Meinung war, Mo solle seinen Entwurf zurückziehen. Bei Alice lag der Fall anders.
»Findest du, dass er recht hat, Alice?«, fragte Mo.
»Ganz ehrlich?«, fragte sie zurück.
»Ich würde von dir nie etwas anderes erwarten.«
»Wenn es um irgendjemand anderen ginge als um dich, Mo – um irgendeinen anderen Moslem –, würde ich sagen, ja, er hat recht. Ich finde zwar, dass er ein Arschloch ist, der Anstand nicht einmal dann erkennen würde, wenn er ihn genau vor der Nase hätte, aber das ist im Moment irrelevant. Ich weiß, dass du möchtest, dass dein Entwurf allen hilft, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten, und das respektiere ich. Aber er tut es nicht, wenigstens nicht im Augenblick.«
»Alice«, sagte Thomas.
»Er hat gefragt.«
»Ja, habe ich«, sagte Mo. »Und wenn ich irgendein anderer Moslem wäre, würde ich ihr wahrscheinlich beipflichten.«
Dieser Austausch hallte auch noch in Mo nach, als die Unterhaltung sich anderen Dingen zuwandte. Eine halbe Stunde später streckte er die verkrampften Beine, ohne die Space Needle fertiggestellt zu haben, und sagte, er müsse jetzt nach Hause. Das Wort brannte auf seiner Zunge.
»Viel Glück bei der Anhörung«, sagte Alice und umarmte ihn, bevor er in den Aufzug stieg. »Und ich habe gemeint, was ich vorhin gesagt habe: Das alles gilt nur für irgendeinen anderen Moslem, und das bist du nicht. Du bist unserer.«
»Alice!«, rief Thomas.
Sie verdrehte die Augen. »Mo weiß, was ich meine. Du musst ihn nicht vor mir in Schutz nehmen.«
Mo hatte sich danach gesehnt, seine Einsamkeit hinter sich lassen zu können, jetzt sehnte er sich danach zurück. Erschöpft winkte er den beiden noch einmal mit schlaffer Hand zu, dann schlossen sich die Türen. Da er, wie in der ganzen letzten Zeit, nicht mit der U-Bahn fahren wollte – er wollte nicht erkannt, beglückwünscht oder angemacht werden, nicht in einem derart engen Raum –, hatte er sich ein Taxi bestellt.
»Mohammad Khan, sieh an!«, sagte der Fahrer, ein gewisser Faisal Rahman, ohne besondere Betonung, als Mo einstieg.
»Stimmt«, sagte Mo und wappnete sich für eine lange Heimfahrt voller neugieriger Fragen.
Aber Faisal schwieg den größten Teil des Weges. Erst als sie auf die Brooklyn Bridge bogen und das Empire State Building rot und weiß angeleuchtet wie ein Erdbeer-Vanille-Eis vor ihnen auftauchte, ergriff Faisal das Wort. »In meinen ersten beiden Jahren hier«, sagte er, »habe ich, wenn das Empire State Building grün angestrahlt wurde, immer gedacht, die Farbe steht für den Islam. Das habe ich allen zu Hause erzählt, die Hälfte der Leute in Matlab glaubt es wahrscheinlich immer noch. Dann bin ich dahintergekommen, dass es wegen der Flugzeuge ist.« Er fing an zu lachen, und Mo lachte mit, obwohl ihm absolut nicht nach Lachen zumute war. »Aber in diesen beiden ersten Jahren konnte ich kaum glauben, wie sehr dieses Land den Islam liebt.«
Als sie an Mos Ziel angekommen waren, wollte Faisal kein Geld von ihm nehmen. »Ich wünsche Ihnen
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