Der amerikanische Architekt
schürte neue Gerüchte. Scott Reiss war selbstbewusst, geistreich, ein absoluter Erfolgsmensch und verdammt teuer. Sobald bekannt wurde, dass er Mo vertreten würde – seine Kanzlei, die jede Art von Publicity für positiv hielt, hatte die Information durchsickern lassen –, brachte die Post einen niederträchtigen Artikel, in dem die Frage aufgeworfen wurde, wie Mo sich eine derart teure Kanzlei leisten konnte, und angedeutet wurde, die Saudis hätten die Kosten übernommen. Die Post ließ sich ausführlich darüber aus, wie niedrig Architektengehälter in New York waren, und führte als Beweis nicht näher benannte Quellen bei ROI an. Mos Gehalt war zwar etwas höher als die von der Post genannte Summe, prinzipiell aber hatte die Zeitung recht. Es war nicht annähernd hoch genug, um sich einen Anwalt und Publicity-Manager leisten zu können, der fünfhundert Dollar die Stunde kostete. Die Wahrheit lautete, dass Mos Vater seine Altersvorsorge zu Geld gemacht hatte. Ersparnisse aus vier Jahrzehnten tröpfelten wie eine Infusion in Reiss’ Armani-bekleideten Arm. Die Spekulationen hätten sich also mit einer einzigen kurzen Erklärung aus der Welt schaffen lassen, aber einerseits wollte Mo seine Eltern aus der Sache heraushalten, andererseits sah er nicht ein, wieso er seine Unschuld unter Beweis stellen sollte. Er wusste, dass das, was er tat, richtig war, aber es war, als versuche er, einen überquellenden Schrank geschlossen zu halten. Seine Muskeln schmerzten.
Reiss’ erster Plan war, eine Public-Relations-Offensive zu starten.
»Sie müssen Fotos ihrer Kinder in die Kamera halten«, sagte er, und als Mo ihn darauf hinwies, dass er keine hatte: »Borgen Sie sich welche. Wir müssen den menschlichen Aspekt herausstellen. Nein, den amerikanischen. Kramen Sie Ihre Fotoalben hervor. Ihre Pfadfindermedaillen. Wir schalten noch vor der öffentlichen Anhörung eine Anzeigenkampagne. Da draußen gibt es jede Menge Leute, die zu Ihnen stehen und bereit sind, diese Maßnahme zu finanzieren.«
Mo wollte sich gar nicht erst vorstellen, was Laila denken würde, wenn sie diese Anzeigenkampagne sah, nachdem er sich geweigert hatte, bei der MACC -Kampagne mitzumachen. Vor allem aber wollte er sich nicht selbst verkaufen. Er würde seinen eigenen Landsleuten nicht versichern, dass sie keine Angst vor ihm zu haben brauchten.
»Keine Kampagne«, sagte er zu Reiss, der die Augen verdrehte.
Der Ramadan zog sich hin. Mo fastete immer noch von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang, aß ungeachtet der Ermahnungen seines Vaters an den meisten Abenden allein. Die Erinnerung an den Iftar beim Bürgermeister nagte an ihm, ließ ihn sicher sein, dass er bei jeder Zusammenkunft von Muslimen nur ein Störfaktor sein würde. Aber auch die Einsamkeit machte ihm zu schaffen, umso mehr, je näher die Anhörung kam. Vier Abende vorher fuhr er nach Brooklyn, zu einem Essen mit fünf Protestanten: Thomas, Alice und den drei Kindern.
Alice war immer noch stinksauer, weil Mo »Thomas gelinkt und unsere Familie in Gefahr gebracht« hatte, wie sie es ausdrückte. Hauptsächlich aber stellte sie neue Bedingungen auf, die an ihre Vergebung geknüpft waren. Die neueste war, einen Lego-Baukastensatz der Seattler Space Needle für Petey zusammenzubauen. Sobald das Essen vorbei und die Kinder im Bett waren, machte sich Mo auf dem Wohnzimmerboden an die Arbeit, glücklich und zufrieden, sich in der relativ anspruchslosen Aufgabe der Miniaturkonstruktion verlieren zu können. Die Füße in Thomas’ Schoß, hatte Alice es sich auf dem Sofa bequem gemacht, und Mo versuchte, die Erinnerung daran zu verdrängen, wie Laila ihre zierlichen Füße durchgebogen hatte wie eine Katze den Rücken und an ihn gekuschelt hatte.
Beim Zappen stieß Alice auf Mos Gesicht. Wie neuerdings immer, wenn Mo sich selbst sah, schaltete er automatisch von der ersten zur dritten Person um. Issam Malik und Lou Sarge debattierten über die Gedenkstätte. Ihr Anblick versetzte Mo zurück an den Abend mit Yuki vor weniger als einem Jahr. Damals waren die beiden Männer für ihn Fremde gewesen, fast Zerrgestalten, und er für sie nicht existent. Jetzt waren sie alle gemeinsam Darsteller in irgendeiner düsteren Oper, unfähig, die Bühne zu verlassen, oder vielmehr, wie Malik und Sarge, den Fernsehschirm.
Ihr Wortwechsel war teils so perfekt aufeinander abgestimmt, dass Mo sich fragte, ob sie sich vorher abgesprochen hatten.
»Mit dieser Art von Rhetorik errichten Sie Mauern der
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