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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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sie oder hatten Angst, dass ihre Illegalität die Aufmerksamkeit auf sie selbst lenken würde. Oder sie würden horrende Mieten verlangen, weil sie, mit ihrer Million, es sich ja leisten konnte. Die Welt jenseits von Kensington – die Viertel der Weißen mit ihren Rasensprengern – war weit weniger verlockend, wenn sie dorthin gezwungen wurde. Wohin also, wo sie so wenig Englisch sprach? Es gab nur Zuhause, Bangladesch, so sehr es ihr auch widerstrebte. Sobald sie ihrer Vermieterin von ihrem Entschluss erzählte, vergab Mrs Mahmoud ihr, vielleicht weil sie die Erste war, die es erfuhr.
    Ihre Zeit im Exil ging zu Ende. Sie kehrte in ihr eigenes Land zurück. Und doch hatte sie das Gefühl, sich ins Exil zu begeben. Von der Bootsfahrt mit Inam – dem frechen Wind, den Möwen, deren Schreie herabsanken wie Federn, dem auf einmal so stillen Manhattan – blieben nur nichtssagende, stumme Fotos. Sie fürchtete, dass das allmählich dünner werdende Band zwischen ihr und ihrem Mann endgültig reißen würde, wenn sie New York verließ. Sie brach ihr Versprechen, seinen Sohn in Amerika großzuziehen, und sie ließ ihn ganz allein zurück. Inams sterbliche Überreste trieben immer noch in den Flüssen der Stadt, schwebten in ihrer Luft.
    Sie gab auch ihre Hoffnung auf, je etwas anderes zu sein als eine Mutter, Witwe, Schwiegertochter. Sie und Inam hatten nach ihrer Hochzeit, während sie auf ihre Touristenvisa warteten, ein paar Wochen bei seinen Eltern gelebt. In dieser Zeit hatte ihre Schwiegermutter unablässig an ihr herumgekrittelt – an der Art, wie sie den Tee servierte oder das Essen kochte oder die Wäsche wusch –, als würde in diesen ersten Wochen Asmas Charakter als Ehefrau geformt und als könne sie, Inams Mutter, keine noch so kleine Nachlässigkeit durchgehen lassen. Ständig sagte sie Asma, was Inam wollte, als könne er nicht für sich selbst sprechen. Jetzt würde sie bei ihnen leben, weniger als ihr Gast denn vielmehr als ihre Dienstmagd, immer abhängig von ihrer Güte. Sie würden ihr die Schuld an Inams Tod geben, und sie hätten damit nicht ganz unrecht. Aber das Geld würde alles rosiger färben. Sie hatte mit Nasruddin darüber gesprochen. Eine Vorbedingung für den Erhalt des Geldes von der amerikanischen Regierung war gewesen, dass sie sich schriftlich verpflichtete, sich ausschließlich an die amerikanischen Erbschaftsgesetze zu halten und nicht an die irgendeines anderen Landes, auch nicht an die von Bangladesch, wo Witwen nur einen kleinen Teil des Besitzes ihres Mannes erben konnten. Weder ihre eigenen Eltern noch die von Inam würden ihr die Kontrolle über das Geld nehmen können. Wenn sie es taten, würde die amerikanische Regierung es zurückfordern. Sie hatte versucht, bedrückt auszusehen, als sie das alles erfuhr, insgeheim aber hatte sie gejubelt. In dieser Hinsicht hatte Amerika ihr Macht gegeben.
    Aber sie hatte auch die Grenzen dieser Macht kennengelernt. Sie hatte gedacht, ihre Freiheit hier sei grenzenlos, aber in Wahrheit war sie eingeschränkt – von einem zwar größeren Kreis als dem zu Hause, aber dennoch einem Kreis. Wenn sie offen sprach, dagegen anrannte, ihn überschritt, erregte sie Anstoß. Es war völlig anders als zu Hause, und doch dasselbe. Vielleicht würde ihre Ansprache auf der Anhörung dazu beitragen, dass Mohammad Khans Gedenkstätte für Inam Realität wurde. Aber weder sie noch Abdul würden hier sein, um sie besuchen zu können.
    Kummer darüber flutete nicht nur einmal, sondern in vielen Wellen über sie hinweg. Verlust häufte sich auf Verlust. Sie glitt in den Schlaf, an einen Ort, wo irgendjemand große, flache, schwere Steine auf ihren Körper häufte, um zu sehen, wie viel Gewicht sie tragen konnte. Sie konnte nicht mehr atmen, konnte es nicht länger aushalten, und sah dann, dass ihr kleiner Sohn versuchte, Steine, die dreimal so schwer waren wie er selbst, von ihr herunterzuheben, und sie kämpfte sich aus dem Schlaf heraus, nur um festzustellen, dass sich nichts geändert hatte. Sie lag in ihrem Bett, Abdul neben ihr, und sie wurden ausgestoßen.
    Aber vielleicht wollte Gott, der alles bestimmte, dass sie nach Hause zurückkehrte. Sie hatte ihr Geld und ihre amerikanische Erfahrung, die ihr sagten, dass harte Arbeit alles möglich machte, auch wenn die Korruption und das Chaos, die in Bangladesch herrschten, ihre Entschlossenheit auf eine harte Probe stellen würden. Sie würde dort eine Mädchenschule gründen. Vielleicht konnte sie

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