Der amerikanische Architekt
hatte und wegen ihrer Schönheit geheiratet worden war und nun auf einem unfruchtbaren Hochplateau der Mutterschaft, der Gemeinnützigkeit und der Bedeutungslosigkeit lebte. Jetzt sah er, zum ersten Mal, ihre Einzigartigkeit.
Es war mehr als eigenartig, Claire ausgerechnet in diesem Augenblick ergründen zu wollen, das wusste er. Aber es war das Schmerzloseste, was er tun konnte. Er hätte sein Verhalten bei ihrem Zusammentreffen gern in dem Augenblick rückgängig gemacht, als sie den Raum verließ. Aber er hatte nicht sagen können, was sie von ihm hören wollte, und sie konnte nicht verstehen, wieso er es nicht sagen konnte. Doch wenn nicht einmal sie beide eine gemeinsame Grundlage finden konnten, welche Hoffnung gab es dann?
»Unser Dschihad – und ich benutze das Wort mit Bedacht, in seiner ersten und größten Bedeutung, nämlich als Kampf darum, ein rechtschaffenes Leben zu führen«, sagte Malik sehr betont, »dreht sich darum zu beweisen, dass es möglich ist, sowohl gute Muslime als auch loyale Amerikaner zu sein, an Gott zu glauben und gleichzeitig für dieses Land einzutreten. Gott wird unser Richter sein – so wie er über alles richtet. Wir können uns nur an die Fakten halten, die vor uns liegen – eine junge Frau, eine junge Mutter, durch einen Akt der Gewalt getötet, die hässlichen Leidenschaften auf allen Seiten – und sagen, dass der Kampf für diese Gedenkstätte weder dem Islam noch Amerika dienlich ist. Ein einziger Tod – gleich ob eines Muslimen oder eines Nicht-Muslimen – wegen dieser Kontroverse ist ein Tod zu viel. Es ergibt keinen Sinn, den vielen Namen auf den Mauern noch einen weiteren hinzuzufügen, nur wegen eines Streites darum, was diese Mauern eventuell symbolisieren. Mr Khans Prinzipien, oder sollte ich vielleicht eher sagen, seine Ambitionen, sind es nicht wert, dass ihretwegen noch jemand zu Tode kommt.«
Der letzte Satz hallte in Mo wider, denn nicht einmal er selbst wusste noch, wo die Grenze zwischen seinen Ambitionen und seinen Prinzipien lag. Diese Grenze hatte Laila gesucht, und ihre Angst, das eine mit dem anderen zu verwechseln, hatte zum Bruch zwischen ihnen geführt.
Er, der immer noch von Ort zu Ort zog, hatte sich für ein paar Tage in einem Hotelzimmer eingemietet. Jetzt schaltete er den Fernseher aus. Er musste sich entscheiden: Entweder konnte er weiter für seinen Garten kämpfen, so wie er war, oder er konnte aussteigen. Einen anderen Weg gab es nicht. Natürlich wäre es kein Problem, seinen Entwurf abzuändern – die Mauern wegzulassen, die Kanäle in sich dahinschlängelnde Bäche zu verwandeln. Ein Garten war schließlich einfach nur ein Garten. Und doch wusste er, dass er sich weigern würde, auch nur die kleinste Kleinigkeit zu ändern, selbst wenn diese Weigerung das Ende bedeutete. Sie würden den Garten so nehmen müssen, wie er ihn für die Ausschreibung eingereicht hatte, oder gar nicht.
Sein Anwalt hatte die Mitschriftprotokolle der Anhörung gelesen, die Interviews, die Statuten, die dem Auswahlverfahren zugrunde lagen. »Niemand hat bewiesen, dass Sie in irgendeiner Weise ›ungeeignet‹ sind, niemand hat auch nur einen einzigen legitimen Grund dafür genannt, den Entwurf zu kippen«, hatte Reiss betont. »Wenn die versuchen sollten, es trotzdem zu tun, wäre ein Rechtsstreit sehr aussichtsreich, vor allem angesichts all der islamophoben Äußerungen, die Rubin bei der Anhörung zugelassen hat. Es gibt Leute, die bekommen Millionen, nur weil sie über ein Schlagloch gestolpert sind. Bei Ihnen dagegen – Ihr Ansehen wurde beschädigt, man enthält Ihnen einen Sieg vor –«
»Es geht mir nicht um Geld«, sagte Mo.
»Denken Sie einfach nur daran, dass das Gesetz Ihr Freund ist«, sagte Reiss. »Wenn Sie die Sache durchziehen wollen und die anderen versuchen, irgendeinen anderen Entwurf durchzusetzen, können Sie eine Unterlassungsklage einreichen und sie daran hindern, auch nur einen einzigen Stein zu legen. Und wer weiß? Vielleicht werden die Gemüter sich irgendwann so weit beruhigt haben, dass Ihre Gedenkstätte doch noch gebaut werden kann.«
Er konnte also die Gesetze seines Landes gegen es wenden, konnte seinen Sieg durchboxen, konnte seinen Landsleuten, die ihm von Tag zu Tag fremder schienen, seine Vision aufzwingen. Er konnte bis in alle Ewigkeit dieses Wartesaalleben führen – ohne Liebe, ohne Zuhause, sogar ohne Arbeit. Denn zutiefst besorgt, die Kontroverse um Mo könne die »Ausübung der Architektur«
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