Der amerikanische Architekt
wer dafür verantwortlich ist, hat die Tat uns schockiert und erkennen lassen, dass dies eine Zeit ist, in der Einigkeit und Entgegenkommen statt Unbeugsamkeit gefragt sind.«
Sie hatte die Jury dazu überredet, sich für den Garten zu entscheiden, hatte darauf beharrt, dass sie Khan nicht fallen lassen dürfe, und hatte sich dann sowohl gegen ihn als auch gegen seinen Entwurf gewandt. Sollte der Rest der Jury bei der Entscheidung für Khan bleiben, sähe das so aus, als wolle ein Haufen Künstler um jeden Preis einen der ihren durchsetzen – das Traumszenario der Gouverneurin. Paul war fassungslos, nicht nur, weil Claire den anderen Juroren in den Rücken gefallen war und die monatelange Arbeit und ihre Bereitschaft, Differenzen auszudiskutieren, dadurch einfach zunichtegemacht hatte, sondern auch, weil sie jede Selbstbescheidung vermissen ließ und offenbar das Gefühl hatte, sie allein habe das Recht zu bestimmen, wann es Zeit war zu kämpfen, wann an der Zeit, es gut sein zu lassen. Sie verstand ihr eigenes Land nicht, dachte er. Es würde weit mehr als eine Gedenkstätte brauchen, um es zu einen.
Doch vielleicht hatte er selbst die Saat für das alles gesät. Als er Claire angerufen und darauf bestanden hatte, dass sie sich mit Khan traf, hatte er eher nebenbei bemerkt, er selbst halte es immer noch für das Beste, wenn Khan seinen Entwurf zurückziehen würde. Nun hatte sie Nägel mit Köpfen gemacht, hatte begriffen, dass ihre Forderung einerseits brisanter und andererseits weniger riskant wäre, wenn sie sich dazu mit den Muslimen zusammentat.
»Ich wäre froh, es wäre anders gekommen«, sprach Claire weiter. »Hätte Mr Khan mehr Bereitschaft gezeigt, seinen Entwurf zu erklären, damit kein falsches Bild entstehen kann, oder kleinere Veränderungen daran vorzunehmen, hätte ich mich auch weiterhin für den Garten eingesetzt, und viele der Familien hätten das ebenfalls getan.«
Paul hatte also nicht nur Claire, sondern auch Khan falsch eingeschätzt. Wieso hatte er geglaubt, der Architekt würde ungeachtet seiner bisherigen unerschütterlichen Verweigerung auf Claires Bitten eingehen? Khan würde weiterkämpfen, aber der Kampf würde jetzt noch schmutziger werden, sich noch länger hinziehen. Geraldine Bitman würde die Pattsituation mitsamt den damit verbundenen Ängsten so weit es irgend ging ausnutzen, ohne sich um die Schäden zu scheren, die sie damit anrichtete. Paul konnte sich genauso wenig vorstellen, dass der Garten je Wirklichkeit werden würde, wie er sich vorstellen konnte, dass Khan nachgab. Plötzlich sehnte er sich nach einem Ruhestand ohne Vorstände, ohne Prestigeprojekte, ohne fortwährende Relevanz, in dem er und Edith einfach nur auf der Couch sitzen und sich Musicals aus den dreißiger Jahren ansehen würden.
»Sie weiß nicht, was sie will«, sagte er zu Edith.
»Findest du?«, gab sie zurück. »Ich habe eher das Gefühl, dass sie das sehr genau weiß.«
25
F ast hätte Mo gelacht, als er sich die Pressekonferenz ansah – die orchideenweiße, blonde, reiche, idealtypische amerikanische Protestantin umrahmt von arabischen, südasiatischen und afroamerikanischen Muslimen. Er hatte Ost und West einen wollen, und das war ihm auch gelungen – gegen sich. Sie saß in der Mitte eines langen Tischs, rechts und links neben ihr Mitglieder des MACC : Issam Malik gleich links, Jamilah gleich rechts. Laila war Gott sei Dank nirgends zu sehen. »Schützt uns, dann schützen wir euch.« Er hätte auf sie hören sollen.
Er beobachtete, wie Claire und die MACC -Mitglieder sich fast überschlugen, ihren gegenseitigen Respekt füreinander zu bekunden. Seht ihr, schien Claire zu sagen. Ich habe kein Problem mit Muslimen, ich habe absolut kein Problem mit Muslimen, ich habe nur ein Problem mit einem, mit Mohammad Khan! Sie, ein Bauwerk von unvergleichlicher Schönheit, wie er sie für sich kategorisiert hatte, ließ nun auf ganz neue Weise faszinierende Aspekte erkennen, als seien Deckenverkleidungen, Trennwände und Paneele, alles konventionelle Beiwerk, aus dem Weg geräumt worden, um die wahre, verblüffende Substanz freizulegen. Sich mit Muslimen statt mit den anderen Angehörigen zusammenzutun, war ein kreativer Geniestreich. Selbst als ihre Prinzipien einknickten, selbst als sie sich konform verhielt, hatte sie eine Möglichkeit gefunden, Distanz zu wahren. Mo hatte sie in eine ganz bestimmte Schublade gesteckt. Für ihn war sie eine Frau, die aus finanziellen Gründen geheiratet
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