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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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formierten sich Bäume mit knorrigen Stämmen zu perfekten Alleen. Vor ihr lag die Public Library. An den anderen drei Seiten des Parks erhoben sich verglaste Wolkenkratzer, deren Oberflächen das Grün und die Wolken widerspiegelten. Ein ummauerter Garten. Sie ließ sich auf den Rasen sinken.
    Selbst hier, in dieser abgemilderten Form, war sie betört von Khans Vision, obwohl sie seine verächtliche Haltung nach wie vor unmöglich fand. Vielleicht war beides nicht voneinander zu trennen, wie Cal argumentiert hatte – vielleicht war Arroganz tatsächlich Ansporn für Kreativität. Sie wollte, dass der Garten wieder rein war, frei von Assoziationen, frei von Khan. So, wie sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Aber sie konnte ihn ihm nicht wegnehmen, weil er ebenso ihm gehörte wie ihr, mehr sogar. Schließlich hatte er ihn geschaffen.
    Sie legte den Kopf in die Hände und brach in Tränen aus.
    Auf der Suche nach Einsamkeit und frischer Luft ging Paul in den Central Park. Abgesehen davon, dass er des Öfteren von Vladimir durchchauffiert wurde, was nicht zählte, war Paul seit Monaten nicht mehr hier gewesen. Überhaupt, ging ihm auf, war er so damit beschäftigt gewesen, zwischen Jurysitzungen und den Büros und Wohnungen von Politikern hin und her zu hetzen, dass er kaum einmal draußen gewesen war. Khans Garten – als Realität, statt als Kontroverse – war ihm dabei völlig aus dem Blick geraten. Als er nun über die Sheep Meadow mit all ihrer beabsichtigten Zwanglosigkeit schlenderte, unverkennbarer Hinweis darauf, dass sie das Werk von Frederick Law Olmsted war, ging ihm auf, dass der Garten die erste neue öffentliche Grünanlage in Manhattan wäre – gewesen wäre – er wusste kaum noch, welche Zeit er benutzen sollte –, seit der Central Park vor anderthalb Jahrhunderten angelegt worden war. Er stellte sich einen grünen Fleck vor, der auf dem Stadtplan aufflackerte und wieder verschwand, aufflackerte und wieder verschwand. Wie ein Pulsschlag.
    Vielleicht lag es am Wind und am Vogelgezwitscher, vielleicht an den jungen Leuten, die auf Inlineskates und Fahrrädern an ihm vorbeiflitzten, jedenfalls fühlte Paul sich so zufrieden wie schon lange nicht mehr. Sein kurzer Abstecher in die Tatenlosigkeit, als er dem Chaos die Herrschaft überlassen hatte, war ein Fehler gewesen. Gut, dass er Claire und Khan endlich gezwungen hatte, sich ihren Differenzen zu stellen und sie beizulegen. Geraldine Bitman würde ihre demagogischen Attacken natürlich fortsetzen, aber wenn Claire, als bekanntestes Familienmitglied, dabei blieb, dass Khan vertrauenswürdig war – dass sie ihm vertraute –, insbesondere nach ihren in der Öffentlichkeit geäußerten Zweifeln, würde es zumindest einen Showdown zwischen den beiden Frauen geben, auf den Paul jetzt schon gespannt war. War es nicht amüsant, dass seine einst lustvollen Fantasien mit Claire Burwell in der Hauptrolle diese Wendung genommen hatten?
    Edith rief an, ungewöhnlich aufgeregt. »Paul – es soll eine Pressekonferenz geben. Claire Burwell. Ich schicke Vladimir, damit er dich abholt.«
    »Ich kann zu Fuß gehen«, wollte er im fälschlichen Gefühl einer neuen Energie, ausgelöst durch das Jungvolk, das überall um ihn herum in Bewegung war, schon sagen, überlegte es sich dann aber anders. »Ja, mach das.«
    Zu Hause sahen er und Edith sich die Pressekonferenz auf der Couch an. Claire saß an einem langen Tisch, rechts und links eingerahmt von Mitgliedern des MACC . Ihre Anspannung war selbst durch den Bildschirm hindurch zu spüren, als sie die gemeinsame Erklärung verlas.
    »Wir, die Unterzeichner« – sie deutete mit einer Geste auf die Personen rechts und links von ihr –, »bitten Mohammad Khan, seinen Entwurf für die Gedenkstätte zurückzuziehen, damit sich das Land in Einigkeit für eine andere Gedenkstätte entscheiden kann. Wir möchten Mr Khan nichts wegnehmen. Sein Bestreben, diesem Land dabei zu helfen, die schrecklichen Ereignisse zu verarbeiten, wird von uns allen anerkannt. Dennoch sind wir der Meinung, dass eine andere Gedenkstätte als sein Garten zu diesem Zeitpunkt besser wäre für die Angehörigen der Toten, für die amerikanischen Muslime und für das ganze Land. Wir wollen ihm nicht vorschreiben, was er tun soll. Aber wir bitten ihn, auf sein Einfühlungs- und sein Urteilsvermögen zu hören.«
    »Asma Anwars Tod hat uns alle sehr erschüttert«, fuhr sie fort und sah von ihren Papieren auf. »Obwohl wir noch nicht wissen,

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