Der amerikanische Architekt
sich in dem Restaurant um, einem kleinen Bistro in der Upper East Side, das er vorgeschlagen hatte, weil niemand, den er kannte, dort verkehrte. Wie er gehofft hatte, war es so gut wie leer. Nur ein paar ältere Frauen pichelten an der Theke aus dunklem Holz vor sich hin. Irritiert durch die Lichtblitze aussendenden Spiegel an den senffarbenen Wänden des langen, schmalen Raums brauchte er eine Weile, bis er Mohammad Khan bemerkte. Dann entdeckte er einen Mann mit dunklem Bart, der ihm von einem Tisch ganz hinten entgegensah. Paul rief sich Khans Bewerbungsfoto ins Gedächtnis. Das da konnte er unmöglich sein. Der Mann sah – Paul suchte nach einem passenden Ausdruck, während er auf den Tisch zuging – »cool« aus, die welligen schwarzen Haare länger und nach hinten gekämmt, die Wangenlinie verschwunden unter einem kurz gehaltenen Bart, die Augen hinter leicht bernsteinfarben getönten, rechteckigen Brillengläsern kaum zu erkennen.
Khan erhob sich. Er war knapp zehn Zentimeter größer als Paul und hatte sich so gesetzt, dass er das Restaurant und die Tür im Blick hatte, was Paul irritierte, weil er nur ungern mit dem Rücken zum Raum saß. Als sie Platz genommen hatten, nippte er an einem Wasser und hoffte, dadurch sein Gleichgewicht wiederzufinden. Er registrierte, dass Khans Milchkaffee dieselbe Farbe hatte wie seine Haut, und strich den Vergleich sofort wieder, weil er fürchtete, er könne rassistisch sein.
»Sie sehen anders aus«, fing er an. »Als auf dem Foto.«
Khan zuckte die Schultern. »Es war ein altes Foto.« Er trug ein perfekt gebügeltes weißes Hemd aus irgendeinem edlen Material, die Manschetten lässig umgeschlagen. Unaufdringliche dunkle Haare lugten aus dem Halsausschnitt. Er sah aus wie Pauls Vorstellung von einem Bollywood-Star, während er selbst mit seiner Fliege sich vorkam, als hätte er sich für den Schulball zu fein gemacht.
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Es dehnte sich aus. Trotz der schwachen Beleuchtung des Restaurants, trotz der Brille, waren Khans Augen – und Paul hatte das noch nie über einen Mann gesagt, nicht einmal gedacht – schön. Auf die Weise schön, wie er als Kind Murmeln schön gefunden hatte. Schön auf eine Weise, die Frauen garantiert unwiderstehlich fanden.
»Danke, dass Sie so kurzfristig kommen konnten«, fing Paul an.
»Kein Problem. Aber ich wüsste natürlich gern, wieso ich das alles aus der Post erfahren habe«, sagte Khan. Vor ihm lag ein Skizzenblock mit ein paar hingestrichelten Linien.
Paul zögerte. »Es ist noch nichts endgültig entschieden. Wir behandeln die Angelegenheit mit der bei jeder Entscheidung gebotenen Sorgfalt.«
»Und das hier ist Teil davon?«
»Ja, dieses Treffen ist Teil davon«, sagte Paul. Khans Frage gab ihm Spielraum.
»Aber ich habe gewonnen.« Er griff nach seinem Stift und fing an, vor sich hinzukritzeln. Nein, Kritzeln war etwas, was Paul tat. Khan zeichnete. Mit großem Unbehagen sah Paul den Garten Gestalt annehmen; selbst verkehrt herum war er nicht zu verkennen, die vier Quadranten, die Kanäle, die Mauern, die Bäume –
»Einen Gewinner gibt es erst ganz am Ende des Verfahrens. Erst wenn Gouverneurin Bitman unterschrieben hat.«
Kühl musterte Khan Pauls Gesicht. »Aber die Jury hat sich für meinen Entwurf entschieden. Sie hat sich für den Garten entschieden.«
Paul knickte ein. Es blieb ihm nichts anderes übrig. »Ja, das hat sie.«
Dieses Aufblitzen in Khans Augen: Freude. Sie verschwand hinter stählernen Toren. »Und was brauchen Sie, um die Entscheidung endgültig zu machen?«, fragte er.
»Nun, sobald der gebotenen Sorgfalt Genüge getan ist, wird die Öffentlichkeit zu Wort kommen. Wie Sie vielleicht gemerkt haben, meldet sie sich bereits jetzt zu Wort.«
Khan biss nicht auf den Köder an. »Die Öffentlichkeit«, wiederholte Paul. »Wir leben in schwierigen Zeiten, seltsamen Zeiten –« Er brach ab. »Wieso haben Sie sich an der Ausschreibung beteiligt?«, fragte er dann, überrascht darüber, dass es ihn wirklich interessierte.
Khan sah ihn an, als wäre er nicht ganz richtig im Kopf. »Weil ich es konnte.«
»Die Öffentlichkeit«, kam es noch einmal von Paul, der plötzlich eine besondere Vorliebe für dieses vage, beharrliche Etwas zu haben schien, »wird eine etwas ausführlichere Begründung erwarten.«
»Natürlich«, sagte Mo, darum bemüht – Paul konnte es deutlich sehen –, ein entgegenkommenderes Gesicht aufzusetzen. »Ich hatte das Gefühl, dass
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