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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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nach Amerika und hieß plötzlich Rubin. Was hat ein Name schon zu bedeuten? Nichts. Alles. Wir alle basteln an unserem Selbstbild herum, verändern uns mit der Zeit.«
    »Es ist schon ein bisschen etwas anderes, sich einen Namen zuzulegen, der die eigenen Wurzeln verrät, die eigene Herkunft, die eigene ethnische Zugehörigkeit.«
    »Rubin bemäntelt nicht sehr viel.«
    »Aber es verrät weniger als Rubinsky. Nicht jeder ist bereit, sich völlig neu zu erschaffen, bloß um es in Amerika zu etwas zu bringen.«
    Wollte Khan damit irgendwas über die Juden sagen, ihre Assimilationsbemühungen? Die Bemerkung, die Edith an diesem Morgen gemacht hatte, fiel ihm wieder ein. »Kein muslimisches Land würde sich eine Gedenkstätte von einem Juden bauen lassen«, hatte sie gesagt. »Wieso sollten wir es anders halten?« Edith hatte die Angewohnheit, alles auszusprechen, was Paul selbst niemals aussprechen würde, so als hätte sein weniger liberales Selbst sich in seiner Wohnung breitgemacht.
    »Unser Land ist nicht mit einem muslimischem Land vergleichbar, Edith. Wir können uns nicht so verhalten. Wir können ihm den Sieg nicht wegnehmen, nur weil er Muslim ist«, hatte er gesagt, obwohl genau das sein Plan war.
    »Daniel Pearl hat einen weit höheren Preis dafür gezahlt, Jude zu sein«, hatte sie mit überlegener Unangreifbarkeit geantwortet.
    Khan hob den Arm. Paul zuckte zusammen und merkte erst dann, dass Khan nur die Rechnung anforderte. Er hatte das beunruhigende Gefühl, unbeabsichtigt etwas Neues in Gang gesetzt zu haben. Ganz gleich, was für eine Art Muslim Khan bis jetzt gewesen war, er würde als ein aufgebrachter von hier weggehen.
    Ohne große Lust auf seinen nächsten Termin, ein seit Langem geplantes Treffen mit seinem ältesten Sohn Jacob, kam Paul nach Hause. Er hatte versucht, dieses Treffen zu verschieben, aber damit war er bei Edith an die Falsche geraten.
    Diese Treffen waren vorgeblich dazu da, Vater und Sohn die Gelegenheit zu geben, sich zu sehen und auf den neuesten Stand zu bringen, in Wirklichkeit aber, damit Jacob, ein Bittsteller mit babyweichen Händen, ihn wieder einmal um Geld angehen konnte. Paul legte diese Begegnungen immer so, dass sie sich nicht mit Mahlzeiten überschnitten. Er wollte vermeiden, familiäre Normalität heucheln zu müssen, wenn über Dollars geredet wurde.
    Jacob bezeichnete sich selbst als Filmemacher, aber seine Arbeiten – drei Kurzfilme und ein Spielfilm, der auf ein paar unbedeutenden Festivals gezeigt worden war, um gleich anschließend als DVD in den Regalen zu verstauben – gehörten nicht zu denen, die Paul oder seine Freunde sich ansahen. Sich selbst als Künstler zu bezeichnen, machte einen noch nicht zu einem. Er hatte es satt, Jacob zu finanzieren, aber Edith setzte ihn erbarmungslos unter Druck, und Paul wusste, dass die beiden sich garantiert heimlich über ihr Vorgehen absprachen, damit die Schecks auch weiterhin kamen. Normalerweise war Edith nicht so leicht rumzukriegen, aber wenn es um ihren Sohn ging –
    Pauls Zuwendungen an Jacob hinterließen nur unbedeutende Dellen in seinem Vermögen, aber die fast selbstverständliche Annahme, dass es immer mehr und noch mehr geben würde, ließ den Strom seiner Großzügigkeit versiegen. Um alles noch schlimmer zu machen, hatte Jacob sich angewöhnt, eine unterschwellige Feindseligkeit zur Schau zu tragen, die Paul nicht einmal ansatzweise nachvollziehen konnte. Jacob war vierzig Jahre alt und ließ sich immer noch von seinem Vater finanzieren; welchen Grund konnte er haben, verstimmt zu sein? Er schob unausgeschöpfte Potenziale vor sich her wie einen Kinderwagen. Bevor Paul das erste Mal in seinen Sohn investiert hatte, hatte er sich natürlich mit der Ökonomie der Filmwirtschaft beschäftigt. Es kam nur selten vor, dass unabhängige Filme Geld einbrachten, und Jacob in seiner schwarzen Lederjacke (immer derselbe gute Schnitt, immer ersetzt, sobald sie erste Zeichen der Abnutzung aufwies) war stolz auf seine anti-kommerzielle Einstellung. Was bedeutete, dass er, sofern sich nicht irgendein völlig unerwarteter Erfolg einstellte, auf den seine Begabung bisher nicht im Geringsten hindeutete, Paul für den Rest seines Lebens auf der Tasche liegen würde. Vater zu sein brachte einem mit den Jahren weniger statt mehr Freude ein, was vielleicht eine Erklärung dafür war, dass seine Freunde so viel Aufhebens um ihre Enkelkinder machten: Sie waren eine Chance, noch einmal ganz von vorn anzufangen. Da er

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