Der amerikanische Architekt
meine Idee die richtige Balance zwischen Erinnerung und Verarbeitung verkörpert. Ich wollte meinen Beitrag leisten«, fügte er steif hinzu.
Paul nickte. »Wie schon gesagt, lässt die Öffentlichkeit jetzt schon eine gewisse – Erregung erkennen. Was bedeutet, dass ich es sehr schwer haben könnte, die nötigen Mittel für die Verwirklichung des Gartens zusammenzubekommen. Was wiederum bedeuten würde, dass Sie nur einen nominellen Sieg in der Tasche hätten und ich ohne eine nennenswerte Gedenkstätte dastehen würde. Wohl kaum ein wünschenswertes Ergebnis, weder für Sie noch für mich. Daher frage ich mich, ob wir das Ganze vielleicht ein wenig indirekter angehen könnten. Sie arbeiten für Emmanuel Roi, richtig?«
»Ja.«
»Vielleicht könnten wir den Entwurf unter seinem Namen laufen lassen. Sie wären natürlich nach wie vor mitbeteiligt, nein, Sie wären natürlich der Hauptakteur. Funktionieren diese Dinge nicht sowieso auf diese Weise?«
Erstaunen flog über Khans Gesicht, Verärgerung folgte – und blieb. Er legte seinen Stift hin, eine Geste, deren Bedachtsamkeit doppelt beunruhigend war, und sagte: »Genau so funktionieren sie. Und genau deshalb habe ich als Einzelperson an der verdammten Ausschreibung teilgenommen.«
»Es geht Ihnen also um Ihre Karriere?«
»Anscheinend habe ich die Frage nach dem Motiv auf dem Anmeldeformular übersehen. Ich will dieselbe Anerkennung für meinen Sieg wie jeder andere Gewinner.«
»Wie gesagt, gibt es noch keinen Gewinner per se«, sagte Paul. »Nicht, bevor die Öffentlichkeit zu Wort gekommen ist. Bis jetzt gibt es nur die Entscheidung der Jury.«
»Schön. Dieselbe Anerkennung, wie sie jedem, für den die Entscheidung der Jury ausgefallen wäre, zustünde.«
»Wenn das, was wir bis jetzt sehen, ein Vorgeschmack auf die Reaktionen ist, die noch zu erwarten sind, bin ich mir nicht sicher, ob Sie diese Anerkennung wirklich wollen. Vielleicht wären Sie irgendwann sogar froh, Sie wären anonym geblieben.«
Khan legte seine langen, schmalen Finger an die Schläfen und schien vor Entrüstung förmlich zu platzen. »Das ist allein mein Problem, oder? Oder sollte das eine Drohung sein?«
Paul antwortete nicht. Stattdessen versuchte er, sich an die Liste der Fragen zu erinnern, die Lanny nach einem nächtlichen Schnellstudium des Islam für ihn zusammengestellt hatte: Sunnit oder Schiit? Nach eigener Einschätzung gemäßigt? Hatte er vielleicht eine jüdische Freundin? Wenn sie tatsächlich einen Muslim als Gewinner bekanntgeben mussten, war es mehr als wichtig zu wissen, was für eine Art Muslim er war.
»Ihr Hintergrund scheint relativ – unreligiös zu sein«, sagte Paul. »Ist das richtig?«
»Wieso spielt das eine Rolle?«
»Ich versuche nur, mir ein Bild zu machen. Falls Sie sich nicht als unreligiös bezeichnen würden, so doch sicher als gemäßigt, oder?« Der Ventilator über ihren Köpfen drehte sich als winziges Abbild in Pauls Löffel.
»Ich habe es nicht so mit Etiketten«, sagte Mo.
»Gemäßigt ist nicht wirklich ein Etikett«, sagte Paul. »Mehr eine Einstellung. Ich würde mich selbst auch als gemäßigt bezeichnen.«
»Glückwunsch«, sagte Mo. Sein Ton klang zunehmend gereizt. Dann schien er es sich anders zu überlegen. »Ich bin wahhabitischer Schiit, wenn Sie es unbedingt wissen müssen«, sagte er.
»Verstehe«, sagte Paul und zückte einen Stift. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich mir das kurz auf–«
Khan schob ihm ein leeres Blatt Papier zu, wartete, bis Paul mit dem Schreiben fertig war, und sagte dann: »An Ihrer Stelle würde ich damit lieber nicht zur Presse laufen. Nach allem, was ich weiß, und das ist nicht besonders viel, versuchen die Wahhabiten, die zu den Sunniten gehören, und die Schiiten immer wieder, sich gegenseitig umzubringen.«
Pauls Gesicht brannte wie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr. In seinem Alter und in seiner Position hatte er gedacht, über derartige Demütigungen hinaus zu sein. Jetzt fühlte er sich zurückversetzt in eine Szene, mit der er sich früher einmal fast täglich beschäftigt hatte. Er war vierundzwanzig gewesen und hatte den Sommer über in einer Anwaltskanzlei volontiert. Intelligenz und Entschlossenheit hatten ihm den Job verschafft: immer der Beste seines Jahrgangs, aber schüchtern und verlegen, wenn er sich nicht hinter einem Buch verstecken konnte, ängstlich darauf bedacht, nicht zu versagen und bloß keinen falschen Schritt zu tun. Eines Tages hatte einer der
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