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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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geworden, das Mo auch den letzten Rest Frieden raubte.
    Er fand Zuflucht in Lailas Wohnung. Bei Laila. Ihre Beziehung war enger geworden. Nach anfänglichem Zögern – sie war seine Anwältin, hatte sie protestiert, eine Beziehung zwischen ihnen wäre unangemessen, der Rat würde dahinterkommen – hatten sie alle Zurückhaltung aufgegeben, als schweiße der Druck von außen sie zusammen. Sie hatte ihr winziges Studio-Apartment in Murray Hill mitsamt seiner niedrigen Miete von einer Freundin übernommen. Es war kaum größer als ein Hotelzimmer oder ein Firmenapartment, hatte aber mehrere eingebaute Bücherregale und eine breite Fensterfront. Laila hatte es mit weichen Perserteppichen und einem tiefroten Sofa möbliert, einem kleinen Tischchen aus Walnussholz mit zwei dazu passenden Stühlen, an dem sie ihre Mahlzeiten einnahmen, einem eleganten Kleiderschrank, der von ihrer Großmutter stammte und nun als Geschirrschrank diente, und einem alten Grammofon, einem Familienerbstück, mit riesigem, trichterförmigem Lautsprecher. Alles zusammen wirkte so ungewöhnlich und hinreißend wie ein Orchester, das in einer Zahnarztpraxis einen Wiener Walzer spielt. Das Bett war hinter einem Paravent mit Perlmuttintarsien versteckt. Das erste, was Mo von ihrem Fenster aus sah, war das Chrysler Building, das er schon als Kind geliebt hatte, und ein Kreis, von dem er nicht gewusst hatte, dass er nicht vollständig war, schloss sich.
    Als Laila ein einziges Mal bei Mo übernachtete, hatte sie fast den ganzen nächsten Tag in seinem Loft festgesessen, weil sie nicht wollte, dass die vor seinem Haus herumlungernden Fotografen ihre Beziehung publik machten. Von jetzt an, sagte sie zu Mo, nachdem es ihr gelungen war, sich im Schutz der Dunkelheit davonzuschleichen, würde er zu ihr kommen müssen, wenn er sie sehen wollte. »Außerdem ist dein Apartment im Augenblick auch für dich nicht unbedingt der sicherste Ort«, fügte sie hinzu.
    Er brachte einen Koffer mit Kleidung in ihre Wohnung, und sie räumte im Schrank ein Fach für ihn frei, auf das er sich gefälligst zu beschränken hatte, wie sie betonte. Die Zeiten, die er bei ihr verbrachte, ohne in seine eigene Wohnung zurückzukehren, zogen sich immer länger hin – erst drei Tage am Stück, dann fünf, bis er sich den von schrillen Schreien und Pfiffen begleiteten Spießrutenlauf in seine Wohnung schließlich ganz sparte. Zu seiner Überraschung hielt er sich mehr in Lailas Wohnung auf als sie selbst. Sie hatte Meetings, Arbeitsessen, Gerichtsverhandlungen, Mandantengespräche, während Mo, aus den normalen Abläufen bei ROI herausgerissen, zur Zeit kein eigenes Projekt hatte. Manchmal sagte Laila ihm Bescheid, wann sie nach Hause kommen würde, manchmal vergaß sie es. Wenn sie dann irgendwann kam, war die Wohnung immer blitzblank aufgeräumt, was sie, wie Mo amüsiert feststellte, nicht einmal bemerkte. Sie betrat das Zimmer und erwärmte es wie eine kleine Sonne. Wenn sie fort war, schienen sowohl Mo als auch die Möbel nur darauf zu warten, wieder zum Leben erweckt zu werden.
    »Zweifelsfrei hat Mohammad Khan jedes Recht, seine Gedenkstätte zu bauen«, hieß es im wöchentlichen Kommentar des Chefredakteurs des New Yorker . »Die Frage ist, ob er sie bauen sollte .« Mos Magen krampfte sich zusammen. Er hatte sich bis zu einem gewissen Grad damit getröstet, dass die Opposition gegen ihn so absolut vorhersehbar war: feindselige Hinterbliebene, konservative Publikationen, opportunistische Politiker wie Gouverneurin Bitman, die in diversen Vorwahlkampfreden von einem »heimlichen Dschihad« gesprochen hatte. Der New Yorker passte in keine dieser Kategorien.
    »Khans Gegner beurteilen ihn nach seinen muslimischen Glaubensgenossen – nicht nur nach jenen, die die Türme zum Einsturz brachten, sondern auch nach der beträchtlichen Zahl derer, die glauben, dass Amerika selbst Schuld an den Anschlägen trägt oder gar, dass sie von der amerikanischen Regierung in Auftrag gegeben wurden. Das ist unfair und sogar verwerflich. Wir sollten ihn ausschließlich nach seinem Entwurf beurteilen. Aber genau hier wird es problematisch. Wenn Ideen in den öffentlichen Raum eingebracht werden, verknüpft sich damit die Verpflichtung, der Öffentlichkeit zu dienen, was bedeutet, dass eigene Ideologien und Überzeugungen hintangestellt werden müssen. Diese Gedenkstätte ist kein Übungsgelände für Selbstverwirklichungsversuche, noch sollte sie der Zurschaustellung religiöser Symbolismen

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