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Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
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dienen, ganz gleich wie harmlos sie auch sein mögen. Die Ehrenmale, die die Mall in Washington säumen, spiegeln nur unsere Bewunderung für die klassische Architektur wider, und für die Vernunft und die Harmonie, die sie, wie unsere Demokratie, verkörpern … Mit der Begründung, dass man einem nicht-muslimischen Gewinner diese Frage niemals gestellt hätte, weigert sich Mr Khan offenzulegen, ob er ein Paradies für Märtyrer geschaffen hat. Aber darauf zu beharren, dass Fragen nach seinen Einflüssen oder Beweggründen diskriminierend sind, heißt, die Bedenken der Angehörigen der Opfer arrogant beiseitezuwischen.«
    »Die Gegner Khans stellen die absurde Behauptung auf, dass man Muslimen nicht trauen kann, weil ihre Religion ihnen das Lügen erlaubt. Das ist eine krude Fehlinterpretation des Gedankens der Taqiyya, derzufolge man bei Gefahr für Leib, Leben und Besitz seinen Glauben verheimlichen darf, um sich zu schützen. Aber Mohammad Khan scheint nicht zu verstehen, dass er diesen Vorurteilen durch seine Weigerung, über die möglichen Bedeutungsinhalte seiner Gedenkstätte zu diskutieren, neue Nahrung verleiht.«
    Mo legte die Zeitschrift beiseite und blätterte durch den Stapel teils ungelesener New Yorker , der sich angesammelt hatte. Dass ausgerechnet auf diesen Seiten auf diese Weise über ihn geschrieben wurde, war so, als habe ein ganzer Raum voller Menschen, die er als seine Freunde betrachtete, ihn als hinterhältig bezeichnet. Die rhetorischen Rückzieher der Zeitschrift konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie von ihm verlangte, sich zu den Verdächtigungen zu äußern, die gegen ihn erhoben wurden. Es war ihm auch kein großer Trost, als sich einige andere liberale Herausgeber in ihren jeweiligen Publikationen über die Doppelzüngigkeit des Artikels ausließen oder Susan Sarandon und Tim Robbins auf einer Filmpremiere grüne Bänder trugen – gartengrün, islamgrün –, um ihre Solidarität mit ihm zu bekunden. Der Kommentar hatte Doppelzüngigkeit salonfähig gemacht, und es gab immer mehr davon.
    Eingefleischte Manhattaner, die immer stolz auf ihre liberale Einstellung gewesen waren, gestanden ein, dass sie mit ihren Therapeuten über das Unbehagen redeten, das sie bei Mohammad Khan als dem Designer der Gedenkstätte empfanden. »Es ist furchtbar«, sagte eine 32-jährige Musikproduzentin, die ungenannt bleiben wollte, dem New York Observer , der den entsprechenden Artikel durch eine Illustration ergänzte, auf der ein finster blickender Mo drohend über einem in sich zusammengeduckten Manhattan aufragte. »Mein Bauchgefühl sagt ›Nein‹, obwohl mein Verstand ›Ja‹ sagt. Es ist so ähnlich, wie wenn man denkt, man will Sex mit jemandem, aber der Körper spielt nicht mit; oder man denkt, man will nicht, und der Körper reagiert nur allzu sehr. Ich verstehe nicht, wo das herkommt. Es ist, als hätte irgendetwas von mir Besitz ergriffen. Was soll ich sagen? Ich kann es nicht begründen. Ich habe einfach nur ein ungutes Gefühl, und dieses ungute Gefühl bewirkt, dass ich mich noch unwohler fühle.«
    Mo fing an, eine psychologische Distanz zwischen sich und jenen anderen Mohammad Khan zu legen, über den so viel geschrieben und geredet wurde, so als handele es sich um einen völlig anderen Menschen. Oft war es auch so. Fakten wurden nicht recherchiert, sondern fabriziert, und sobald sie fabriziert und in die Welt geworfen waren, blieb es jedem einzelnen überlassen, sich ein Urteil über ihren Wahrheitsgehalt zu bilden. Fremde analysierten, beurteilten und erschufen ihn. Mo las, er sei Pakistani, Saudi oder stamme ursprünglich aus Katar, er sei keineswegs amerikanischer Staatsbürger, er habe an Organisationen gespendet, die den Terrorismus unterstützten, er habe Affären mit der Hälfte aller Architektinnen in New York gehabt oder vielmehr, er habe überhaupt keine Beziehungen gehabt, sein Vater sei der Leiter einer dubiosen islamischen Wohltätigkeitsorganisation, sein Bruder – wie sehr sich Mo als Einzelkind immer einen Bruder gewünscht hatte – habe an seiner Universität eine radikale muslimische Studentenorganisation ins Leben gerufen. Abgesehen von lasterhaft bezeichnete man ihn auch als abstinent, abartig, gewalttätig, arrogant, abstoßend, abweichlerisch und typisch. Seine neutrale Haltung erlaubte ihm zu lesen – mit dem beiläufigen Interesse, das man empfand, wenn der Bohrer des Zahnarztes in einen betäubten Backenzahn eindrang –, dass immer mehr

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