Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der amerikanische Architekt

Der amerikanische Architekt

Titel: Der amerikanische Architekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Waldman
Vom Netzwerk:
ändern«, sagte Ellis. »Nicht wenn die ganze Sache schon so weit fortgeschritten ist.«
    »Es ist zu viel«, flüsterte Eileen. »Es ist zu viel.« Frank stand halb auf, beugte sich zu ihr, setzte sich wieder. Megan, die neben ihrer Mutter auf der Couch saß, nahm ihre linke Hand, Lucy kam herüber und ergriff ihre rechte. Eileen machte sie los, damit sie weiter über ihr Bein reiben konnte.
    »Es reicht also nicht, uns umzubringen, sie müssen uns auch noch demütigen«, sagte Brendan. Er hatte zusammen mit Sean eine kurze Protestaktion in seiner nächstgelegenen U-Bahn-Station organisiert, als dort eine neue Informationstafel auftauchte. »Hallo, ich bin Ihr neuer Bahnhofsvorstand«, stand über einem lächelnden Gesicht, und darunter der Name Talib Islam. »Erwarten die etwa im Ernst, dass wir uns diesen Namen jeden Tag ansehen?«, hatte er sich aufgeregt. Die Verkehrsbehörde hatte Polizisten im Bahnhof stationiert, um Islam zu schützen, was Brendan und Sean erst recht auf die Palme brachte. Eines Tages aber war der neue Bahnhofsvorstand verschwunden. Die Brüder rechneten es sich als Sieg an, bis sie erfuhren, dass Talib Islam befördert worden war.
    Jetzt würden Khans Name und Khans Paradies sie an einem Ort peinigen, der unvergleichlich heiliger war als ein U-Bahnhof. Mitleid mit seiner Mutter – stärker als sein eigener Zorn, stärker als seine Liebe zu ihr – überwältigte Sean. Manchmal glaubte er, ihr wäre es lieber gewesen, wäre er an Patricks Stelle gestorben. Jetzt steigerte dieser Gedanke nur sein Mitgefühl für sie. Die Gedenkstätte zu retten war eine Möglichkeit, wachsam zu sein, anders als damals, als sie es nicht gewesen waren. Eileen hatte den Dachboden aufgeräumt, als die Flugzeuge über sie hinweggeflogen waren. Sean hätte Khan gern mit seiner Mutter in einem Zimmer eingesperrt, um zu sehen, ob er ihren Schmerz ertragen konnte.
    »Bitte, Sean, lass es nicht dazu kommen«, sagte sie. Der Ausdruck in ihren grauen Augen – was bedeutete er? Er hatte ihn noch nie gesehen, nicht bei ihr. Bittend. Seine unbeugsame Mutter gestand ein Bedürfnis ein. Hätte sie ihn in diesem Augenblick gebeten, sich eine Bombe umzuschnallen und irgendwen oder irgendwas in die Luft zu jagen, hätte er es wahrscheinlich getan. Aber sie tat es nicht. Sie überließ es ihm, sich einen Plan auszudenken.
    Eine Archivaufnahme von Claire Burwell mit dunkler Sonnenbrille flimmerte über den Bildschirm.
    »Ganz anderes Blut fließt in diesen Adern«, sagte Seans Mutter. Vielleicht sorgte Geld dafür, dass man weniger fühlte, dachte Sean und sah Claire in ihrem riesigen Haus, das sogar noch größer war, als er es sich vorgestellt hatte (und er hatte viel Zeit damit verbracht, es sich vorzustellen), größer als jedes andere Haus, das er je gesehen hatte. Und dazu ganz anders. So viel Glas. Er hoffte, dass sie ihn beobachtet hatte, hoffte, dass sie Angst gehabt hatte, wünschte, er hätte diese Steine in das lichtdurchflutete Gebäude geschleudert.



12
    D ie Einschüchterungsversuche begannen, kaum dass Mo offiziell als Gewinner vorgestellt worden war. In Anrufen, Briefen und E-Mails drohten seine Landsleute ihm an, ihn ebenso zu verbrennen, wie die Terroristen ihre Opfer verbrannt hatten, ihm ein Messer ins Herz zu stoßen, so wie er Amerika ein Messer ins Herz stieß. Das FBI stellte ihn unter Personenschutz. Agenten wie die, die ihn in Los Angeles »befragt« hatten, posierten, nicht sehr überzeugend, als seine Assistenten. In ihrem Beisein nahm Emmanuel Rois Gesicht den Ausdruck eines altehrwürdigen Brahmanen an, der gezwungen ist, sich mit Unberührbaren abzugeben.
    Als nächstes kamen die Demonstranten, die Mehrzahl von ihnen Frauen. Zu zweit, zu dritt oder zu zehnt marschierten sie im Park gegenüber von Mos Haus im Kreis herum und schwenkten Schilder mit inzwischen nur allzu vertrauten Slogans – KEIN MEKKA IN MANHATTAN oder SCHLUSS MIT DER DSCHIHADEREI . Sobald Mo auftauchte, fingen sie an zu buhen, zu pfeifen und ihre Ratschen zu kurbeln, woraufhin jedes Mal ein Polizeibeamter erschien, um sicherzustellen, dass sich der Protest auf die ganze Nachbarschaft bezog und nicht nur auf das Haus, in dem Mo wohnte, was als unerlaubte Belästigung gegolten hätte. Wo der Unterschied lag, blieb Mo ein Rätsel. Fotografen, von dem ganzen Spektakel und der Aussicht auf eine Konfrontation herbeigerufen, zogen Zuschauer an, die weitere Gaffer anlockten, und es dauerte nicht lange, da war der Park zum Feldlager

Weitere Kostenlose Bücher