Der amerikanische Architekt
waren Gärten, erfüllt vom Duft von Orangenblüten, dem Plätschern von Wasser, das die glühendheiße Luft abkühlte, dem Schatten, den sie boten, sinnlicher Genuss für Herrscher gewesen. Sobald die Gärten zu Ruhestätten einiger dieser Herrscher wurden, fing man an, das Grün rund um ihre Grabstätten als irdische Versinnbildlichung des Paradieses aus dem Koran zu sehen – seiner »Gärten, durch die Ströme fließen«.
Claire schaltete den Fernseher ein, weil sie wissen wollte, was die üblichen Krawallmacher daraus machen würden. »In einer potenziell explosiven Situation könnte der Entwurf für die Gedenkstätte tatsächlich als Paradies für Märtyrer gesehen werden«, sagte ein Nachrichtensprecher auf Fox News mit neutraler Stimme und wandte sich dann an ein Gremium von Experten zum Thema radikaler Islam. Einer von ihnen psalmodierte: »Wie wir alle inzwischen wissen, glaubten die Terroristen, die die Anschläge durchführten, dass ihre Tat sie auf direktem Weg ins Paradies mit seinen seidenen Gewändern, seinem Wein, seinen hübschen Jünglingen und seinen dunkeläugigen Jungfrauen bringen würde, und wie es jetzt aussieht, ist das tatsächlich der Fall.«
Ein zweiter bestätigte: »Auch ihre sterblichen Überreste liegen in der Erde des Geländes. Mr Khan hat eine Grabstätte für sie geschaffen, nicht für die Opfer. Er muss schließlich wissen, dass es im Arabischen nur ein Wort für Grab und für Garten gibt.«
»Er versucht, neue Märtyrer zu ermutigen – seht her, hier habt ihr einen Vorgeschmack darauf, was euch erwartet, wenn ihr euch in die Luft sprengt«, warf ein dritter ein.
Claire schaltete den Fernseher aus. Sie wollte nichts mehr hören. Den ganzen Tag über war sie unruhig, schlief schlecht und fühlte sich wie zerschlagen, als sie sich am nächsten Morgen die Zeitungen vornahm. » SIEGERGARTEN «, schrie es von der Titelseite der Post . Ein Kommentar im Wall Street Journal bezeichnete Khans Entwurf als einen »Angriff auf Amerikas jüdisch-christliches Erbe, einen Versuch, seine kulturelle Landschaft zu verändern«. »Wie es aussieht, handelt es sich um einen verdeckten Versuch der Islamisierung«, hieß es. »Zwei Jahrzehnte der multikulturellen Aussöhnung haben dazu geführt, dass wir den Feind in unser Haus gebeten haben, um es neu einzurichten.« Die Mitglieder von »Save America from Islam« beherrschten die Nachrichten der Kabelsender mit Kampfparolen. Von ihrer Anführerin, Debbie Dawson, war zu hören: »Muslime glauben, dass es in Ordnung ist zu lügen, um andere dazu zu bringen, an ihre Wahrheiten zu glauben.« Und: »Werfen Sie einen Blick auf die Geschichte: Überall da, wo ihre Eroberungszüge sie hinführten, haben Muslime Moscheen errichtet. Da sie nie damit durchgekommen wären, auf dem Anschlagsgelände eine Moschee zu errichten, haben sie sich etwas Hinterlistigeres einfallen lassen: einen islamischen Garten, ein Märtyrerparadies. Es ist wie eine verklausulierte Nachricht an alle Dschihadis. Und sie haben sie in unsere Gedenkstätte hineingeschmuggelt. Der Garten ist ein trojanisches Pferd.«
Galle brannte in Claires Speiseröhre, stieg in ihre Kehle und setzte sich dort fest, so dass sie kaum noch sprechen oder schlucken konnte. Es geht um den Entwurf, nicht um die Person, die ihn geschaffen hat, hatte sie auch noch beharrt, als Gouverneurin Bitman den Familien nahelegte: »Wenn Sie den Urheber des Entwurfs nicht mögen, wird der Entwurf selbst Ihnen doch sicher auch nicht gefallen.« Khan hatte Bitman in die Hände gespielt, oder hatte die Jury in seine gespielt, indem sie sich erst für seinen Entwurf entschied und ihn dann, zumindest in Claires Fall, auch noch verteidigte?
Wenn man den Artikeln glauben wollte, hatte Khan einem Gedanken Ausdruck und Form verliehen, der derart bedeutsam war, dass Muslime bereit waren, dafür zu töten und zu sterben. Islamische Extremisten würden ihren Fantasien von der Ewigkeit unter denselben Bäumen nachhängen, auf denselben Wegen, auf denen sie selbst und die anderen Angehörigen Trost suchen würden. Die Möglichkeit, dass sein Garten dazu gedacht sein könnte, wortlos, aber doch beredt, Gläubigen Mut zu machen, brandete mit der Stetigkeit eines Ozeans bei ihr an und ließ ihre Gewissheiten bröckeln.
Dann kam sie wieder zur Vernunft. Alle Medien, die auf diesem Thema herumritten, waren von Anfang an gegen Khan gewesen, weil er Muslim war. Sie würden alles tun, um ihm Steine in den Weg zu legen. Dies war
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