Der amerikanische Buergerkrieg
den die Union ein Jahr zuvor gegen Stonewall Jackson verloren hatte. Sherman wiederum startete seinen berühmten, aber ebenso berüchtigten
Raid
durch Georgia, der ihn über Atlanta, das am 2. September 1864 niedergebrannt wurde, schließlich an die Küste nach Savannah führte. Im Dezember war damit die Konföderation in viele kleine Teile gespalten. Der
Sherman Raid
war freilich mehr als nur der erfolgreiche Feldzug eines schneidigen Generals. Im historischen Bewußtsein der weißen Südstaatler brannte er sich als Katastrophe ungeahnten Ausmaßes ein. Auf einer Breite von etwa 120 Meilen richteten die Soldaten verheerende Verwüstungen an. Sherman übertrug bewußt und willentlich das Konzept der verbrannten Erde aus den Indianerkriegen auf die Kriegführung im Osten. Dies war ungewöhnlich, weil man sich wegen des viktorianischen Zivilisationscodes bislang überwiegend vor solchen Schritten gescheut hatte. Aber Grant, Sherman und Sheridan waren anderer Ansicht. Der Süden sollte für seinen Verrat an der Union bestraft werden und spüren, daß er die Kosten eines furchtbaren Krieges, den allein er zu verantworten hatte, tragen mußte. Allerdings beschränkte man sich, anders als gegenüber den Indianern, in der Regel auf Gewalt gegen Sachen und vermied zivile Verluste. Außerdem glaubte man, auf diese Weise die Kampfhandlungen zu verkürzen. Den dritten Schlag führte Grant selbst in Virginia, wo ihm Lee und Beauregard gegenüberstanden. Anders als im Shenandoah-Tal und in Georgia handelte es sich um keinen raschenBewegungskrieg. Trotz überwältigender Überlegenheit der Potomac-Armee entwickelte sich ein hartnäckiger Abnutzungskrieg, den Lee und Grant mit blutiger Konsequenz handhabten. Ab Juni 1864 bissen sich dann Grants Truppen vor Petersburg fest. Die Stadt erlebte eine mehrmonatige Belagerung, die erst im April 1865 zusammen mit dem Krieg endete.
Die Virginiakampagne des Jahres 1864 blieb für die Union über weite Strecken unbefriedigend. Dies war besonders schlimm, weil die Präsidentschaftswahlen ins Haus standen. Die Demokraten hatten ausgerechnet McClellan zu ihrem Kandidaten ernannt. Der galt unter Republikanern zwar als unfähig und Sympathisant der Südstaaten, war aber in der Truppe und an der Heimatfront ausgesprochen beliebt. Im Sommer und Frühherbst des Jahres 1864 sah es daher zeitweilig tatsächlich ganz so aus, als würden die Demokraten angesichts der permanenten Erfolglosigkeit der Unionstruppen unter Grant die Wahlen gewinnen. Wenigstens brachten Sheridans und in erster Linie Shermans Erfolge ein paar gute Nachrichten im Vorfeld der Wahlen ein. Vor allem aber profitierte Lincoln von der gut geölten Propagandamaschinerie im Militär, dessen Führung inzwischen fast komplett in republikanischer Hand war. Zum einen glaubten die Soldaten an den Mythos vom guten Vater Abraham, der sich in Washington um das Wohl seiner Soldaten sorgte, zum anderen trat ein Effekt ein, der in Kriegen des öfteren zu beobachten ist: die politische Trennung von Front und Heimatfront. Während die Lincoln-Administration und der Präsident selbst sich hinter der Front nur bedingt größerer Beliebtheit erfreuten, wollten die Soldaten ihre Opfer im Gefecht nicht durch Schwäche in den Wahlen in Frage stellen lassen. Die Toten sollten nicht umsonst gestorben sein. Ein weiterer Faktor sprach für Lincoln. Er hatte mit Andrew Johnson einen Kriegsdemokraten und heftigen Feind der Sklavenhalter aus dem Sklavenstaat Tennessee als Vizepräsidenten nominiert. Johnson haßte die Südstaatenaristokratie mit unnachgiebiger Intensität, ein Ausdruck von sozialen Verletzungen, die ihm vor dem Krieg zugefügt worden waren. Daher war er als unionistischer Demokrat für viele Demokraten wählbar, denen McClellan gegenüber der Konföderation zu nachgiebigeingestellt war. Gleichzeitig betrachteten die radikalen Republikaner ihn anfangs als einen der Ihren. Sie ahnten nicht, wie sehr sie sich irrten.
Der Wahltag kam und mit ihm ein lange Zeit nicht erwarteter, mehr als ansehnlicher Wahlsieg Lincolns und seiner Regierung der nationalen Einheit aus Republikanern und Kriegsdemokraten. Lincoln erreichte 55 Prozent, McClellan 45 Prozent der Stimmen. Im Wahlmännerkollegium sah der Abstand aber wesentlich deutlicher aus. Hier siegte der Amtsinhaber mit 212 gegen gerade einmal 21 Stimmen. 80 Prozent der Soldaten, aber nur knapp über 50 Prozent der Zivilisten hatten für Lincoln gestimmt. Im Senat standen 42 «Unionisten» noch
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