Der amerikanische Buergerkrieg
verlustreicher und mörderischer wurden, griff die Unionsregierung auf die schwarze Reserve zurück. Am 22. Mai 1863, im Gefolge des
Confiscation Act
vom Juli 1862 und der Emanzipationsproklamation vom Januar 1863, gab die
General Order
143 am 22. Mai 1863 den Weg für die
United States Colored Troops
frei. Bis Kriegsende dienten 178.000 Schwarze in 175 Bundesund Milizregimentern.
2700 von ihnen fielen in der Schlacht, insgesamt waren rund 68.000 Verluste zu verzeichnen. Den schwarzen Soldaten wurde ihr Einsatz für die Union, anders als bei den Iren, nicht wirklich gedankt. Der Nachkriegsrassismus in den USA verhinderte eine echte Integration der farbigen Soldaten. Sie blieben bis 1948 in segregierten Regimentern zusammengefaßt, und selbst in der Frühphase des Vietnamkrieges wurden schwarze Soldaten noch häufig benachteiligt.
Ab 1863 brach das anfängliche Freiwilligensystem der Regimenter auf beiden Seiten zusammen. Die jeweiligen Gemeinden waren nicht mehr in der Lage, entsprechenden Nachschub für die horrenden Verluste zu stellen. Beide Kriegsparteien sahen sich gezwungen, vom Prinzip der Freiwilligkeit abzurücken. Nun rückte die Wehrpflicht, der
draft
, in den Mittelpunkt der Rekrutierung. Damit aber kam es besonders im Norden, aber auch im Süden, wo vergleichbare Regelungen galten, zu ganz neuen Problemen. Der
draft
hatte nämlich ein schwerwiegendesKonstruktionsproblem, er war komplett an Klasseninteressen ausgerichtet. Oberflächlich betrachtet war er durchaus egalitär. In einer Lotterie wurden die Kandidaten bestimmt, die sich dann beim Militär zu melden hatten. Es fand sich jedoch eine wichtige Ausnahmebestimmung. Gegen die Zahlung von 300 Dollar an einen Ersatzmann konnte man sich vom Wehrdienst freikaufen. Für Angehörige der Mittelklasse, die oft in Vereinen und Versicherungen zur gegenseitigen Unterstützung zusammengeschlossen waren, stellte dies keine besondere Schwierigkeit dar, wohl aber für arme Arbeiter. Nicht zuletzt in irischen Kreisen sorgte der
draft
für erhebliche Unruhe, da man hier sowieso schon überzeugt war, von den protestantischen Abolitionisten aus der Mittelklasse, die als Klasse von heuchlerischen Drückebergern wahrgenommen wurde, verheizt zu werden. Mit der Wehrpflicht endete zudem die Phase der ethnisch, kulturell, sozial und politisch homogenen, insofern traditional-partikularistischen Regimenter zugunsten einer Armee, die sich in wachsendem Maße als Sozialisationsinstanz der zu bildenden Nation verstand. Dennoch gelang es nie, die Ängste der Soldaten vor Tod und Verwundung komplett in den Griff zu bekommen. Die massenhafte Desertion zählte zur Normalität des Krieges. Genaue Zahlen sind schwer zu eruieren, zumal manche Soldaten gleich mehrfach desertierten. Für die Konföderation, die von dem Phänomen besonders betroffen war, da ihre Soldaten eher für Familie und Einzelstaat als für Nation und Sklaverei kämpften, schätzt man rund 103.000 Deserteure, für die Union, bei einer außerordentlich hohen Dunkelziffer, mindestens 120.000. Im Süden war die
Confederate Homeguard
mindestens so sehr damit beschäftigt, Deserteure aufzuspüren, wie die Sklaven unter Kontrolle zu halten. Die Gründe für die Desertionen waren vielfältig und hatten beileibe nicht nur mit Angst zu tun. Sie konnte ebenso das Resultat politischer Überlegungen sein, wenn zum Beispiel Kleinbauern aus den Piedmontgebieten des Südens es nicht mehr einsahen, für die Interessen der Großgrundbesitzer in den Küstenregionen zu kämpfen und zu sterben, oder katholische Iren aus der Unterklasse sich von den Agenten der Kapitalinteressen verheizt fühlten. Noch wichtiger aber waren ganz andereErwägungen. Viele Soldaten sehnten sich einfach nach ihren Familien, den Frauen und Kindern, die sie in der Heimat zurückgelassen hatten. Wieder andere, und das dürfte die Mehrheit gewesen sein, dachte an die wirtschaftliche Lage. Agrarische Gesellschaften tun sich mit langwierigen Kriegen schwer, da Bauern notwendig in natürlichen Zyklen denken müssen. Und die meisten Soldaten beider Kriegsparteien entstammten bäuerlichen, nicht städtischen Verhältnissen. Sie wußten nur zu genau um die Probleme, welche ihr Fehlen den Familienangehörigen bei Aussaat und Ernte bereitete. Deswegen verließen sie, ohne eine Erlaubnis abzuwarten, ihre Einheiten, um im Familienbetrieb auszuhelfen, wohlwissend, daß auf Desertion die Todesstrafe stand. Allerdings erwiesen sich die Militärbehörden als
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