Der amerikanische Buergerkrieg
Waffentechnik riß, vollkommen überfordert. Der Mangel an Betäubungsmitteln und hygienischen Instrumenten, um von hygienischen Mindeststandards ganz zu schweigen, war beklagenswert. Man kann sich die Situation um die Lazarettzelte gar nicht dramatisch genug vorstellen. Überall lagen Verwundete, die sich von Schmerzen gepeinigt hin und her wälzten und meist nach ihrer Mutter oder Ehefrau schrien. Eine Wolke von Gestank nach Eiter, Erbrochenem, Kot, Urin und Blut lag bedrückend über der Szenerie, die gerade in heißen Sommern vollends unerträglich werden konnte. Auf einem Stapel lagen mit Sägen abgetrennte Gliedmaßen, oft das letzte Mittel einer Chirurgie, die im Ruf stand, mehr Menschen umgebracht als gerettet zu haben. Selbst bei guter Ausbildung der Ärzte, die keineswegs selbstverständlich war, blieben die medizinischen Optionen beschränkt. Wer diese Qualen dennoch überstand und hinter die rückwärtigen Linien weitergeleitet wurde, konnte aufatmen. In den Hospitälern hinter der Front ging es zivilisierter zu. Hier taten neben den männlichen Krankenpflegern auch Frauen als Krankenschwestern Dienst, was auf viele verwundete Männer beruhigend wirkte.
Der Krieg betraf demnach nicht nur Männer. Das «viktorianische Zeitalter» (dieses Konzept hat sich seit den Forschungen von Anne C. Rose und Louise Stevenson auch für die Gesellschaftsgeschichte der USA für den Zeitraum von 1830 bis 1890 als brauchbar erwiesen) hatte in den bürgerlichen Mittelklassen ein ganz bestimmtes Frauenbild hervorgebracht, das allmählichin unter- und außerbürgerliche Schichten ausgestrahlt hatte. Im Zentrum dieser Geschlechterideologie standen zwei Konzepte, die sich bereits in der Revolutionszeit erstmalig angedeutet hatten, die aber im Grunde in jener Sattelzeit um 1800 im Übergang von vormodernen, agrarischen zu modernen und industriellen Gesellschaften Gestalt angenommen hatten. Das eine war die Idee der Sphärentrennung, wonach Frauen und Männer in verschiedenen Welten leben sollten. Demnach gehörten Frauen der ethisch in hohem Maße positiv konnotierten häuslichen Privatsphäre an. Aus dieser Konzeption der Sphärentrennung entsprang dann die andere wichtige Idee von Weiblichkeit, die der republikanischen Mutterschaft. Frauen sollten ein gewisses Maß an Bildung und Selbstbewußtsein haben, um Männer, allen voran ihre eigenen Ehegatten und Söhne, zu erziehen und zu zivilisieren.
Primär führten die Ideale von Sphärentrennung und republikanischer Mutterschaft zu Einschränkungen für die Frauen der Mittelklassen, die gerade im Krieg sichtbar wurden. Vor allem gut ausgebildete Frauen, die vorher schon in der abolitionistischen Bewegung erfahren mußten, daß sie nicht als vollwertige Mitglieder akzeptiert wurden, waren frustriert. Bereits 1848 hatten sich in Seneca Falls führende Abolitionistinnen, Temperenzlerinnen und andere Aktivistinnen der Antebellumära auf Einladung von Elizabeth Cady Stanton, Lucretia Mott und Susan B. Anthony getroffen, um eine eigenständige Frauenbewegung mit dem Ziel der Emanzipation und – in einiger Ferne – des Frauenwahlrechts zu gründen. Mit Ausbruch des Krieges verlor diese Bewegung erst einmal an Einfluß.
Das bedeutete nicht, daß Frauen sich nicht auch im Krieg bewähren wollten. Vaterländischer Patriotismus war auf beiden Seiten der Front nicht auf ein Geschlecht beschränkt. Die Anzahl der gesellschaftlich sanktionierten Orte öffentlicher Teilhabe von Frauen am Kriegsgeschehen blieben allerdings eng begrenzt. Einer dieser Orte war der Frauenclub, in dem man sich traf, um Fahnen für die lokalen Regimenter zu sticken, die dann in einer öffentlichen Zeremonie den ausrückenden Truppen übereignet wurden. Ein anderer war die Reise der Offiziersgattin in das Regimentslager. Dies wurde von der Generalität nicht gernegesehen, da die Damen als unnötiger Störfaktor galten. Dennoch war es möglich und üblich. Mehrheitlich aber beschränkte sich die Beziehung zwischen Offizieren und ihren Ehefrauen auf das Schreiben oft ausgesprochen intimer und keineswegs puritanischer Briefe und auf seltene Besuche der Männer in der Heimat. Ein anderer Ort war das Dasein als Krankenschwester. Vor dem Krimkrieg war es undenkbar gewesen, Mittelklassefrauen in einem Hospital Dienst tun zu lassen, aber die Britin Florence Nightingale und nun die Amerikanerin Dorothea Dix taten alles, um dies zu ändern. Allerdings blieb der Wert der bürgerlichen Damen im
Nurse Corps
umstritten, da sie
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