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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hochgeschwender
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sich anders als ihre Rivalinnen aus katholischen Schwesternorden der militärischen Disziplin nur schwer fügten.
    Für Frauen aus den Unterklassen war es deutlich schwerer, sich in irgendeiner gesellschaftlich akzeptablen Form in den Krieg einzubringen. Die überwiegende Mehrheit blieb zu Hause und wartete mehr oder minder geduldig oder ängstlich auf die Heimkehr der Ehegatten, Brüder oder Söhne. Nur eine Minderheit entschloß sich, das Heer zu begleiteten. Sie fungierten gegen Bezahlung als Wäscherinnen und Näherinnen, pflegten kleinere Wunden und kochten. Dabei war ihr Ruf keineswegs untadelig, da sie vielfach als Prostituierte tätig waren. Diese weibliche Begleitung der Armeen, die nicht mit den Krankenschwestern verwechselt werden darf, war besonders evangelikalen Offizieren und katholischen Militärseelsorgern ein Dorn im Auge.
    Allerdings hatte der viktorianische Geschlechtercode bei all seinen Schutzfunktionen für die Frauen einen schwerwiegenden Nachteil: Er war nicht farbenblind. Zum einen wurden schwarze Männer für das Delikt der Vergewaltigung weißer und schwarzer Frauen sehr viel schneller angeklagt und hingerichtet als Weiße, obwohl sich das Vorurteil des brutalen, sexualisierten, primitiven und vergewaltigenden Schwarzen weder im Krieg noch danach bestätigte. Zum anderen zeigte sich kaum jemand von der Vergewaltigung schwarzer Frauen besonders gerührt oder betroffen. Man wird daher davon ausgehen müssen, daß die Dunkelziffer vergewaltigter schwarzer Frauen erheblich höher ist als die weißer Frauen. Wie in den KolonialgebietenAfrikas und Asiens versagte der Firnis viktorianischer Zivilisation regelmäßig im Umgang mit Nichteuropäern. Dafür garantierte er insbesondere den weißen Frauen des Südens selbst in der Niederlage noch einen gewissen Schutz.
    Einen seltenen Sonderfall stellten hingegen jene Frauen dar, die sich als Männer verkleidet den Regimentern anschlossen, um zu kämpfen. Fast alle stammten aus bäuerlichen oder städtischen Unterschichten, hatten also das viktorianische Geschlechtermodell kaum verinnerlicht. Angesichts der Ängste, mit denen bürgerliche Männer und Frauen in der viktorianischen Epoche auf Grenzüberschreitungen in den Feldern Sexualität und Geschlechterrollen sowie das
going native
oder
going savage
, also den Übertritt in eine als minderwertige Konkurrenz empfundene Kultur, reagierte, erstaunt es, wie gelassen vor allem die Medien dieses Phänomen aufnahmen. Der Krieg wurde offenkundig als Ausnahmesituation empfunden. Entsprechend reagierten Offiziere und Medien mit wohlwollender Neugierde, etwas Respekt und viel Ironie, wenn derartige Fälle, meist infolge von Verwundungen, ruchbar wurden.
    Dies galt freilich nicht, wenn es sich um Spioninnen handelte. Und Spionage war, wie immer in Zeiten des Krieges, keine Seltenheit. Insbesondere der Süden profitierte von mehreren Agentennetzen im Bereich der Hauptstadt Washington, die Folge der südlichen geographischen Lage der amerikanischen Hauptstadt und der Anwesenheit vieler Sklavenhalter und ihrer Sympathisanten dort waren. Tatsächlich aber hatten Frauen in diesen Netzen eine bedeutende Funktion inne. Zum einen war dies ein direktes Resultat der viktorianischen Geschlechterordnung. Männer scheuten sich nicht, vor Frauen offen über alles zu reden, was sie im Beisein von anderen Männern womöglich nie gesagt hätten. Den Frauen, meist Damen der höheren Gesellschaft, traute man einfach keinen Verrat zu. Dies eröffnete der Washingtoner Gesellschaftsdame Rose O’Neal Greenhow über einen längeren Zeitraum die Chance, Informationen aus dem Umfeld des ungemein redseligen Expräsidenten James Buchanan in den Süden zu übermitteln. Zum zweiten wirkten sich die Schutzmechanismen der Geschlechtertrennung positiv aus. Keine einzige Agentin,wohl aber mancher Agent wurde hingerichtet. Mitunter war dies jedoch nur Produkt eines Zufalls, wenn etwa eine Unionseinheit eine Agentin des Nordens, Pauline Cushman, nur Sekunden vor ihrer Hinrichtung durch konföderierte Soldaten rettete. Rose O’Neal hingegen wurde zwar verhaftet und verhört, aber dann abgeschoben. Sie starb 1864 bei dem Versuch, die Seeblockade vor der Küste Virginias zu durchbrechen, um der Konföderation Gold aus England zu liefern.
    Insgesamt dürfte die nordstaatliche Spionage aufgrund der strukturellen Defizite der Konföderation erheblich erfolgreicher gewesen sein als ihr konföderierter Widerpart. Unter geschlechtergeschichtlichen

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