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Der amerikanische Buergerkrieg

Der amerikanische Buergerkrieg

Titel: Der amerikanische Buergerkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hochgeschwender
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hätte erwarten können. Die Demobilisierung der Bürgerkriegsarmeen schritt einigermaßen rasch voran. Viele konföderierte Soldaten waren einfach nach Hause gegangen. Die Unionstruppen durften noch unter dem Jubel der Bevölkerung durch die Straßen paradieren, wobei zum letzten Mal für viele Jahrzehnte auch schwarzen Einheiten diese Ehre zuteil wurde. Wichtig war ferner, daß die Kriegserfahrung der Soldaten zumindest im Norden und Mittelwesten zu keiner nennenswerten Brutalisierung der Gesellschaft führte. Man hätte vermuten können, daß die durch den Krieg ausgelösten Traumata sich eventuell in einer entfesselten gesellschaftlichen Gewalt Luft gemacht hätten, aber dem war in den großen Industriestädten nicht so. Ausnahmen von dieser Regel bildeten der Süden, auf den noch eigens einzugehen ist, und der Westen. Dort, jenseits des Mississippi, in den Prärien und dem Felsengebirge, kam es zu einer anhaltenden Welle von Gewalt, die von 1865 bis etwa 1919 anhielt. In über 40 lokalen Kleinkriegen von Montana bis New Mexico rangen republikanische Großgrundbesitzer, demokratische Kleinfarmer und Rancher,
vigilante mobs
undGesetzlose, Gewerkschafter und Minenbesitzer in einer nicht enden wollenden Spirale der Gewalt um die Frage der kapitalistischen Organisation der Agrarindustrie. Die amerikanische Forschung hat diesem Prozeß, der eng mit dem Verlauf und den Ergebnissen des Bürgerkriegs gekoppelt war, den treffenden Namen
Civil War of Incorporation
gegeben. Im Mittelpunkt dieser von medialen Mythen umgebenen Serie von Konflikten stand die Frage, inwieweit die Agrarproduktion des Westens industrialisiert und in eine national und global vernetzte Industrieordnung integriert werden sollte. Im Hintergrund standen dabei zusätzlich die Kapitalinteressen ausländischer, vorwiegend britischer Investoren,
absentee owners
, die ihren Großgrundbesitz oft von London oder Manchester aus durch Aufseher verwalten ließen, ohne die Bedingungen vor Ort zu kennen. Sie kooperierten meist eng mit der Republikanischen Partei. Die nationale Exekutive hielt sich aus diesen Streitigkeiten überwiegend heraus und überließ das Feld einzelstaatlichen und bevorzugt privaten Akteuren, darunter der Pinkerton Detektei, die Lincolns Geheimdienstchef aufgebaut hatte.
    Der Westen aber war weit weg, und an der Ostküste harrten schwerwiegendere Fragen der Lösung, die zu allem Überfluß eng miteinander verwoben waren: Wie konnte man den Süden wieder in die USA einbinden? Was sollte mit den befreiten Schwarzen und den Relikten der Sklaverei in den alten Unionsgebieten geschehen? Die Antwort auf die erste Frage hing unter anderem von verfassungsrechtlichen Prämissen ab, wobei es auf diesem Gebiet 1865 binnen weniger Tage zu eigentümlichen Wandlungen kam. Die von der neuen Militärregierung South Carolinas bestimmten Abgeordneten der Staatslegislatur hatten verkündet, die Sezession von 1860 sei null und nichtig gewesen. Nichts anderes hatte man von ihnen erwartet. Aber der Widerspruchsgeist des unruhigen und widerspenstigen Staates war keinesfalls tot, denn die Abgeordneten beharrten zusätzlich darauf, sie hätten weiterhin prinzipiell das Recht auf Sezession von der Union. Damit war das ganze Paradox der Situation umschrieben. Im Süden, wo man 1860/61 in rechtlich durchaus nachvollziehbarer Form aus der Union ausgetreten war, befand man nunplötzlich, man sei nie wirklich ausgetreten und müsse weiterhin als der Union vollwertig zugehörig betrachtet werden. In der Konsequenz bedeutete dies die Entsendung gewählter Abgeordneter in den Kongreß und politische Teilhabe, so als sei nichts geschehen. Im Hintergrund stand dabei zusätzlich die Erwartung, der wirtschaftlich stärkere Norden werde die ökonomisch weitgehend am Boden liegenden Südstaaten dann unterstützen, wenn sie volle Staatlichkeit hätten. Für viele radikale Nordstaatler, allen voran Charles Sumner und Thaddeus Stevens, war das aber absolut inakzeptabel. Viele Kriegsdemokraten teilten ihre Vorbehalte. In ihren Augen war der Süden, obwohl sie während des gesamten Krieges das Gegenteil behauptet hatten, nun wirklich aus der Union ausgetreten und hatte damit das Recht auf legale und politische Partizipation verwirkt. Die Gebiete im Süden hätten ihre Staatlichkeit durch den Akt der Rebellion verloren und müßten sich erst wieder als Bundesterritorien bewähren. Überdies seien die politischen und militärischen Führer der Rebellion als Hochverräter zu bestrafen.

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