Der amerikanische Investor (German Edition)
der doch erst jede Idee aufrichtete. Vermutlich hatte er sich doch nur deshalb in die Lüfte geflüchtet, weil er gar keine Idee hatte, weil es ihm um nichts anderes ging, als den ganzen Tag über, aus seinem bequemen Sitz heraus, zu seinem Diener hin herumzumonologisieren. Komm mal her, my friend, aber lass den Kakao nicht zu heiß werden. Ich kann ihn nicht trinken, wenn er zu heiß ist, und ich kann ihn nicht trinken, wenn er zu kalt ist. Beides gefährdet meine Visionen. Du glaubst doch an meine Visionen, my friend. Warum drosselt dieser Idiot von Flugkapitän die Geschwindigkeit nicht? Sieh genau hier hinab. Eine Schwimmhalle, eine Landebahn, ein Feuerwehrhäuschen, dazwischen ein glitzerndes Hotel und vor dem Hotel ein Park, mit Blumenbeeten und einer Fabrik in der Mitte, das alles werde ich genau hier unten erschaffen. Da staunst du, my friend, oder? Du staunst, weil es exakt der Ort ist, den du dir seit langem ersehnst. Wie glücklich du dort wärst! Eine Frau würdest du an deine Hand nehmen, sie in eines der kleinen Häuser führen und ein Kind nach dem anderen zeugen. Abends kommst du aus der Fabrik und nachts, wenn alle anderen schlafen, stehst du am Fenster, und während du zu den Sternen hinaufblickst, durchströmt dich die Dankbarkeit, die dich auch jetzt gerade durchströmt. Du dankst dafür, dass du mit mir in diesem Flugzeug reist und dass du mir den Kakao bringen darfst. Du dankst, wenn du in deiner Kochnische mein Steak brätst, wenn du döst oder wenn du nachts auf deiner Pritsche deinen Geigenkasten streichelst. Mich aber langweilt deine Dankbarkeit nur. Sie langweilt mich, wenn ich erwache, und sie langweilt mich, bevor ich einschlafe. Deine Dankbarkeit, my friend, interessiert mich einen Scheißdreck, denn ich bin ein Künstler, ein Nomade aus der Wüste Nevadas. Einst hatte ich nur einen fast herkömmlichen Stuhl und ein Stückchen weiße Schokolade in einer alten Zigarrenschachtel und jetzt bin ich Millionär und Milliardär und wo ich hinsehe, werden Wälder gerodet und Felder bestellt und Häuser wachsen so schnell aus dem Erdboden, dass so mancher sich schon, nach einem kurzen Nickerchen, verwundert die Augen gerieben hat. Du aber bringst es nicht einmal fertig, mir einen anständigen Kakao zuzubereiten, ohne ihn mit deinen beschissenen, rührseligen Tränen zu versalzen. Du bist nicht einmal die Rede wert, die ich an dich richte, und nun nimm mir endlich dieses ekelhafte Gesöff wieder ab und gib mir ein Stückchen richtige Schokolade, denn ich bin erschöpft. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie dumpf es sich anfühlt, in welchem Maße es ernüchtert, dir jeden Tag von neuem wieder dasselbe sagen zu müssen. Du bist ein Mensch ohne jede Begeisterung, eine einzige, ständig in sich fallende Müdigkeit, lebendig nur, wenn du flach atmend aus kürzester Entfernung auf eine Wand starrst. Deine eigene Stimme lässt dich wie ein Vogelschwarm aufschrecken. Nun sag doch endlich was! Aber ich will gar nicht hören, was du sagst. Ich will nur, dass du sofort dieses Stück Schokolade, das ich so liebe, aus diesem Papier herauswickelst, und dann will ich, dass du wieder in deiner Kochnische verschwindest, denn es ist der Fluch meines Lebens, dass ich ausgerechnet mit dir Tag und Nacht, über Wochen, Monate, Jahre und Jahrzehnte in diesem verdammten Flugzeug verbringen muss. Sprich endlich, my friend, ist denn schon wieder kein Brief für mich eingetroffen? Bist du sicher, my friend, dass du auch wirklich gewissenhaft in beiden Briefkästen nachgeschaut hast? Dir ist doch nicht entgangen, dass wir zwei Briefkästen haben? Ich habe doch wohlweislich, war es in Australien, Afrika oder Asien, unter dem anderen Flügel einen zweiten Briefkasten anbringen lassen, mit dem gleichen bescheidenen, flatternden Namensschildchen. Guckst du denn auch immer, ob beide Namensschildchen schon von weitem gut sichtbar sind? Vielleicht hat die Nässe der Wolken sie verschmiert oder jemand hat versucht, sie abzukratzen. So ein Brief kann sich auch im Kasten verfangen, my friend. Ganz tief musst du die Hand in die Kästen hineinführen. Es ist doch eigentlich gar nicht möglich, dass dieser Brief noch immer nicht eingetroffen ist! Von heute an lautet mein Befehl, my friend, dass du beide Kästen in jeder neuen Zeitzone gründlich untersuchst. Oder ist dieser Brief bereits eingetroffen und du verbirgst ihn vor mir? Hast du diesen Brief vielleicht in deinem Geigenkasten versteckt, my friend, oder gar verschluckt? Was
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