Der amerikanische Investor (German Edition)
friend, und fährt es dir genauso ins Herz wie mir? Mein Werk. Mein Beitrag! Ich könnte weinen vor Glück! Was bin ich für eine holde Seele! Nur um Schönheit geht es mir. Dieser Blick, my friend, den ich auch dir immer wieder schenke, ist der Blick eines Malers, der noch ein paar Glanzpunkte setzen will. Nur deshalb ziehen wir so unermüdlich dahin. Nun sieh doch noch mal hinab! Dieses Licht, my friend, dort unten gigantisch, in einen riesigen, hässlichen Bau gefasst, wie mild und süß erscheint es uns hier. Und nun lass uns schnell weiterfliegen, denn mich erwarten wichtigere Vorhaben. Ein Licht werde ich erschaffen, my friend, ein Licht so hell, dass es durch die finsterste Wolkendecke dringt, ein Licht, my friend, das uns beide für alle Zeit erstrahlen lässt.
Er riss die Augen auf, griff nach der Fensterbank und zog sich mit einem Ruck hinauf. »Natürlich!«, entfuhr es ihm auf fast schrille Weise, und während der Hund, der für einen Moment wie erstarrt zu ihm hinaufgesehen hatte, seinen Kopf nun wieder sinken ließ, begann er mit schnellen Schritten im Raum auf und ab zu gehen. Ja, dachte er, das war es. Wie hatte er bisher nur so falsch denken können. Der amerikanische Investor musste nicht zu ihm kommen, er musste zum amerikanischen Investor hinauf. Mit einer List würde er das Flugzeug des amerikanischen Investors betreten, einer List von solcher Tücke, dass der amerikanische Investor sie erst durchschaute, wenn er sich längst wieder mit seinem Fallschirm verabschiedet hätte. Er durfte nämlich dem amerikanischen Investor gar keinen Brief schreiben. Der amerikanische Investor musste diesen Brief selbst schreiben. Seine Aufgabe bestand lediglich darin, den amerikanischen Investor von dem Vorhaben dieses Briefes zu überzeugen, von dem Wert, der Größe und der Schönheit dieses Vorhabens. Er musste ihn davon überzeugen, dass dieser Brief all seine bisherigen Wolkenkratzer wie Streichholzschachteln aussehen lassen würde, und zuletzt, wenn der Mut des amerikanischen Investors schon auf einen Tiefpunkt gesunken wäre, würde er verkünden, dass nur er, der amerikanische Investor selbst, diesen Brief schreiben könne. Wer außer Ihnen hätte denn sonst die Kraft für diesen Brief, Mr Investor? Es soll doch ein Brief an die Welt werden. Ein Brief, den Jung und Alt vor sich hin murmeln, ein Brief, den Verliebte mit der Zunge weitergeben. Nehmen Sie Ihren Mut zusammen und greifen Sie zum Stift, Mr Investor. Ein paar leere Blätter habe ich schon bereitgelegt und vielleicht ist es Ihnen dienlich, wenn ich Ihnen in die ersten Sätze hineinhelfe.
Er rieb sich die Hände. Das war jetzt der Moment. Sobald der amerikanische Investor den Stift das erste Mal aufsetzte, würde er seine Stimme erheben, und in einem leisen, betörenden Singsang, der den amerikanischen Investor schon von der ersten Zeile an glauben ließ, es seien seine eigenen Gedanken, würde er all die Worte finden, die er schon immer schreiben wollte. Erst wenn auch das letzte Blatt gefüllt war, würde er verstummen, und dann würde er den Brief unter der Hand des erschöpften Investors hervorklauben, und den Fallschirm bereits auf dem Rücken, würde er noch einmal an ihn herantreten. Mr Investor, würde er sagen, Sie wissen doch, was Sie geschrieben haben. Hier steht zum Beispiel, dass allen Ihren Mietern bei stetig sinkenden Kosten das Recht auf einen Balkon verbürgt ist, und an dieser Stelle, Mr Investor, erklären Sie sich bereit, einen Großteil Ihrer Wolkenkratzer in Behindertenwerkstätten umzuwandeln. Und tausend andere Dinge noch. Tausend andere Dinge, würde er jetzt rufen, während er sich schon dem Ausgang näherte, die Ihnen für den Rest Ihres Lebens den Schlaf rauben werden, und den Brief in der Hand, rechtsgültig, mit Unterschrift des Investors, würde er mit seinem Fallschirm aus dem Flugzeug springen, und das Letzte, was er vom amerikanischen Investor zu sehen bekäme, wäre ein erbleichtes Gesicht, das ihm aus dem kleinen Fenster nachschaute.
Mit einem Blick zu seinem Schreibtisch hin hielt er inne und warf sich rücklings auf sein Bett. Einen Popanz würde er aus dem amerikanischen Investor machen, ihn für immer der Lächerlichkeit preisgeben. Wer war denn dieser amerikanische Investor schon? Ein König in einer Glühbirne, der sich nicht nur der Welt, sondern auch jedem Glück und jeder Anstrengung dort, über den Wolken, entzog. Wo nahm der amerikanische Investor in seinem Flugzeug überhaupt den Widerstand her,
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