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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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noch im Bett lag, am kleinen Telefontisch im engen Flur der Nachbarin und hörte sich ungläubig und missmutig deren Beschwerde an? Es tut mir leid, dass ich Ihnen ein wenig von Ihrer Zeit stehlen muss. Ich weiß, dass Sie eine schwer arbeitende Frau sind. Ich will Ihnen auch gar nicht zu nahe treten, aber Ihr Mann scheint uns doch ein rechter Faulpelz zu sein. Durch die Wände hören wir ihn mitten am Tag schnarchen. Arbeitet er denn gar nichts mehr? Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich weiß wohl, dass mich das eigentlich nichts angeht. Ich erwähne das auch nur, weil das Schnarchen Ihres Mannes regelmäßig ein äußerst unangenehmes Störgeräusch im Hörgerät meines Mannes hervorruft. Mein Mann wäre natürlich viel zu schüchtern, sich zu beschweren. Lieber dreht er den ganzen Tag an seinen Reglern. Sie, werte Nachbarin, können sicherlich erahnen, wie nervös mich das macht, und deshalb möchte ich Sie hiermit, von Frau zu Frau, darum bitten, doch mal mit Ihrem Mann zu sprechen. Sie wissen ja, dass wir uns eigentlich nie beschweren. Natürlich sind die Kinder hin und wieder laut, aber sowohl meinem Mann wie auch mir ist es immer eine belebende Freude, diese hellen, fröhlichen Stimmen zu vernehmen.
    Er griff sich an die Brust. »Die Kinder!«, stieß er aus, und mit plötzlich offenem Mund warf er einen Blick auf den Wecker. Weshalb waren die Kinder nicht da? Ging die Schule am Freitag länger?
    Er schüttelte den Kopf. Waren die Kinder verabredet oder zu einem Geburtstag eingeladen? Das hätte doch mit ihm abgesprochen werden müssen. Was, wenn seine Frau plötzlich nach Hause kam und ihn fragte, wo die Kinder sind? Hast du denn nirgendwo angerufen? Machst du dir gar keine Sorgen? Warum hast du denn nirgendwo angerufen? … Weil ich gar nicht weiß, wo ich anrufen soll. Warum soll ich denn immer alles machen? Ruf du doch irgendwo an, wenn du schon alles besser weißt!
    Er sah zur Tür. Konnte es nicht sein, dass die Kinder schon längst da waren? Sein Sohn hatte doch jetzt immer den Wohnungsschlüssel dabei. Nur warum lag der Hund dann noch so friedlich da? Nichts erfreute den Hund so sehr wie die Kinder, wenn sie aus der Schule kamen. So lange hätte er an der Tür gewinselt und gekratzt, bis die Kinder sie ihm geöffnet hätten. Hallo Papa!, hätte es so laut und lustig durch den Raum geschallt, dass selbst er für einen Moment die Augen geöffnet hätte. Oder waren die Kinder sogleich wieder panisch aus der Wohnung geeilt, weil sein Schlaf so fest gewesen war, dass er selbst auf ihre Kniffe hin nicht reagiert hatte? Liefen sie vielleicht jetzt weinend durch die Straßen, weil sie dachten, er sei tot?
    Er sah auf das Bettlaken hinab. Das war doch Quatsch. Da war es doch schon eher wahrscheinlich, dass den Kindern dort draußen etwas passiert war, eine Stoßstange, die plötzlich mit größter Wucht …
    Er warf den Kopf in den Nacken. »Nein!«, hörte er sich laut sagen und lauschte der Strenge seiner Stimme nach. Wenn einem der Kinder etwas passiert wäre, hätte er das längst erfahren. Nicht nur in der Straße, im ganzen Block waren die Kinder bekannt. Das Telefon hätte überhaupt nicht wieder aufgehört zu klingeln. Oder hatte er das Telefon in seinem Tiefschlaf nicht gehört? Aber jetzt würde er es doch hören! Nichts sprach dafür, dass den Kindern etwas passiert war. Wahrscheinlich waren sie bereits im Hof, hatten mit ihren Ranzen ein Tor errichtet und würden gleich durstig die Treppe hinaufstürmen.
    Er atmete tief durch und sah auf seine Hände hinab. Den Kindern konnte gar nichts passiert sein. Die Kinder waren vorsichtig. Die Kinder hatten eine gute Verkehrserziehung erfahren. Die Kinder waren viel umsichtiger als zum Beispiel er oder seine Frau. Straff wie Soldaten warteten sie auf dem Bürgersteig, bis die Ampel umschaltete, und auch dann sahen sie sich noch aufmerksam um, bevor sie die Straße überquerten. Selbst durch dichten Verkehr bewegten sie sich mit großer Sicherheit. Sobald sie nach Hause kamen, würde er sie deshalb loben. Er musste die Kinder sowieso viel mehr loben. Kaum, dass sie die Ranzen abgelegt hätten, würde er ihnen heute sagen, wie stolz er auf sie sei, und dann würde er sie fragen, ob sie sich etwas Besonderes zu essen wünschten. Vielleicht würde er sie auf eine Pizza einladen. Das hatte er schon lange nicht mehr getan.
    Ja, dachte er, indem er langsam auf das Kissen zurücksank. Diese Pizza hatten sich die Kinder redlich verdient. Glücklich würde er sie dabei

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