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Der amerikanische Investor (German Edition)

Der amerikanische Investor (German Edition)

Titel: Der amerikanische Investor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Peter Bremer
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am liebsten herausmeißeln würde, das mir so unerträglich ist, dass ich mich mit aller Gewalt zwingen muss, nicht aus meinem Sitz hervorzuschnellen, und erst wenn ich dann an dich denke, an deinen Brief und deine Kinder, wird mir langsam wieder wohl, und da ich nun, während ich meinen Diener fest ins Auge fasse, von dir zu sprechen beginne, fühle ich, wie der Druck in meiner Brust langsam nachlässt. Er hat einen Sohn, erzähle ich, einen Prachtkerl, der, wenn er die Treppen hinaufstürmt, immer zwei Stufen auf einmal nimmt, um dann, kaum in der Tür, mit einer Scherzfrage aufzuwarten. Er hat auch eine Tochter, die ihrem Bruder immer erst nach einer Weile verträumt hinterhergeschlendert kommt und sich still mit einer kleinen Bastelarbeit ins Hundekörbchen zurückzieht. Abends sitzen sie zu dritt im Wohnzimmer vor dem herrlichen Mahl aus Mozzarella und Tomaten, das er, trotz der steten Gefahr, in der Küche liebevoll bereitet hat, und wenn er dann die Teller wieder einsammelt, um sie zur Spüle zu bringen, folgt seine Tochter ihm lautlos und auf dem Rückweg greift sie nach seiner Hand und sein Sohn springt plötzlich zu ihm hinauf, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu setzen. Für eine Weile stehen sie so beieinander und dann schauen sie gemeinsam auf die Uhr und mit den Worten, er solle der Mutter doch einen lieben Gruß ausrichten, verabschieden sich die Kinder ins Bett. Das ist dann gleichsam der Moment, wo auch ihn eine kleine Schläfrigkeit überkommt, und er setzt sich in seinen Sessel oder bettet sich auf der Matratze in seinem Arbeitszimmer. An den Haushalt denkt er, an das schmutzige Geschirr auf der Spüle, an die Staubflocken, die träge durch das Wohnzimmer ziehen, an den übervollen Mülleimer, an die Wäsche, die ungebügelt aus den engen Schränken quillt, und natürlich an den Brief, den er uns schreiben will, einen Brief, my friend, wie er uns noch nicht vergönnt war, der unser Herz schon bei seinem Anblick zutiefst berührt, einen Brief, my friend, wie er sich nur unter den geschlossenen Lidern eines Träumers denken lässt, einen Brief wie eine zimtfarbige Wolke, deren herrlicher Duft sich bereits bis ins Treppenhaus ausgebreitet hat, einen Brief, my friend, mit dem er seine Frau empfängt, wenn sie spät am Abend, nach einem anstrengenden Tag, mit einem leichten Stöhnen durch die Haustür tritt und im Flur ihre pralle Arbeitstasche von den Schultern auf den Boden fallen lässt.
    Er fuhr aus dem Kissen hoch, hielt den Atem an und lauschte erschreckt. Hatte er da nicht gerade Geräusche vor der Haustür vernommen!
    Mit der Hand griff er sich an den Hinterkopf und begann sich die Haare zurechtzuzupfen. Was war heute eigentlich für ein Tag? »Oh Gott!«, entfuhr es ihm. Woher hatte er nur die Unschuld nehmen können, sich ausgerechnet an diesem Tag um diese Zeit noch einmal ins Bett zu legen? Am Freitag kam doch seine Frau häufig schon sehr viel eher von der Arbeit zurück. Was hätte sie wohl gedacht, wenn sie ihn, nach dem gestrigen Abend, am heutigen Tag seelenruhig schlummernd im Bett ertappt hätte. Aber hatte er überhaupt geschlafen? Er hatte doch nur ein wenig zur Decke hinaufgesehen. Vielleicht waren ihm dabei ein paarmal die Augen kurz zugefallen. Mit Faulenzerei jedoch hatte das nichts zu tun. Oder hatte er womöglich sogar geschnarcht? Er selbst hatte nichts gehört. Doch war es deshalb auszuschließen? Außerdem lag es, wenn er tatsächlich geschnarcht hatte, nur an der Hitze. Kein gewöhnlicher Mensch konnte bei dieser Hitze vernünftig atmen. Selbst wenn er nicht geschlafen hätte, hätte er vermutlich leise vor sich hin geschnarcht.
    Er sah zum Hund hin, der, die Schnauze eng zwischen den Pfoten vergraben, mit aufmerksamen Augen zur Tür starrte. Hatte der Hund etwa auch Geräusche aus dem Treppenhaus vernommen?
    Er beugte sich noch ein Stückchen vor. Stand seine Frau womöglich bereits, die Schuhe in der Hand, seitlich vor der Eingangstür und lauschte auf das, was er tat? Hoffte sie etwa, dort vor der Eingangstür, seine Schritte aus den Räumen zu hören, weil er doch immer nervös auf und ab ging, wenn er an einem neuen Text arbeitete? War es vielleicht diese Stille, die ihr aus der Wohnung entgegenschlug, die seine Frau derart beklemmte, dass sie sich erst sammeln musste, bevor sie die Tür öffnen konnte? Oder war seine Frau, noch auf den letzten Stufen, schon von der Nachbarin abgefangen und in deren Wohnung gewinkt worden? Lehnte seine Frau vielleicht, während er hier

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