Der amerikanische Investor (German Edition)
immer sein Bestes zu versuchen.
Er sah zum Schreibtisch hin. Wieso hatten sie ein solches Gespräch nicht schon viel früher geführt und was würde er antworten, wenn seine Frau ihn im Gegenzug fragte, was er von ihr hielte? Dann musste seine Erwiderung sie zum Strahlen bringen. Auf keinen Fall durfte er in diesem Moment in Sprachlosigkeit versinken und nicht die geringste Not durfte sich in seine Antwort schleichen. Wirklich, für deine Frau hältst du mich? Das hast du schön gesagt. Fällt dir sonst noch etwas ein? … Wie interessant! Für die Mutter unserer Kinder hältst du mich also auch. War es das jetzt? … Nein? … Was denn noch … Aha, du siehst mich nicht nur als Mutter, sondern gleichzeitig als arbeitende Frau. Kommst du darauf, weil ich das Geld verdiene und abends meist spät nach Hause komme? Richtig? … Habe ich es mir doch gedacht. Weißt du was, du kannst mich mal kreuzweise!
Er sank auf das Kissen zurück. Woher kam denn seine momentane Sprachlosigkeit und warum strengte allein die Vorstellung, seiner Frau ein nettes Wort zu gönnen, ihn derart an? Das lag doch nur an der Unsicherheit, in der sie gerade lebten. Weshalb aber hatte diese Unsicherheit seine Frau und ihn in diesem Maße entzweit? Genauso gut hätte diese Unsicherheit sie auch enger aneinanderrücken lassen können. Sie beide verband doch die gleiche Sorge. Das hast du aber liebevoll formuliert, wie gut mir die neue Brille steht. Ich habe ehrlich gesagt gar nicht damit gerechnet, dass sie dir auffällt. Hast du denn schon mit dem Brief an den amerikanischen Investor begonnen? … Nein? Dann helfe ich dir jetzt.
Er sah zur Glühbirne hinauf. Woher nahm der amerikanische Investor bloß diese zerstörerische Kraft? Von der Sekunde an, da er in ihr Leben getreten war, hatte er nur Unheil über sie gebracht. Wie ein Schicksal, das ihnen auferlegt worden war, so schwebte der amerikanische Investor über ihren Köpfen, ein Monster, das aus jedem ihrer Tage, aus jeder ihrer Stunden alle Freude und Kraft sog. Wer war nur dieser amerikanische Investor und was tat er dort oben? Genoss er, während er aus seinem runden Fenster auf die Erde hinabblickte, die ganze Zeit über seine Macht oder war dieses Flugzeug womöglich ein Ort des Schreckens, so grauenhaft, dass er sich jeder Vorstellung entzog, mit Frauen und Kindern, die nackt und gefesselt, zum ständigen Missbrauch im dunklen, kalten Lagerraum des Flugzeuges, wimmernd an den Planken lagen? Was sollte denn ausgerechnet er einem solchen Menschen schreiben, der nur deshalb hin und wieder aus dem kleinen Fenster neben sich sah, um sich an dem Anblick seiner Mieter zu ergötzen, die, ihres Glückes beraubt, plötzlich bodenlos in der Luft zappelten. Komm mal her, my friend! Ich will dir eine Lektion erteilen. Siehst du den grauen Mann dort unten auf dem Bett? Seit langem rührt er sich kaum mehr. Angsterfüllt und gleichzeitig voller Hass und Verzweiflung blickt er zu uns hinauf, und der einzige Wunsch, der ihn beseelt, ist, dass unser Flugzeug noch in dieser Sekunde Feuer fängt und steil hinabstürzt. Aber sieh ihn dir genau an, my friend. Sieht so ein Mensch aus, der seinen Wünschen vertraut? Da musst ja sogar du schmunzeln. Deshalb klammert sich dieser Mensch auch an einen anderen Plan. Er will uns einen Brief schreiben. Ganz munter und selbstgewiss soll dieser Brief klingen. Eine schöne Idee! Soll er doch machen! Wie jedoch, so frage ich dich, will ausgerechnet dieser fahle Mensch uns einen munteren und selbstgewissen Brief schreiben und was sollen wir überhaupt mit einem Brief? Schon jetzt quellen unsere Kästen über. Dort funktioniert eine Toilettenspülung nicht, da klappert ein Fenster. Dem einen hat es das Dach weggeweht, der andere lebt seit Jahr und Tag ohne Strom und Wasser. Natürlich versuche ich zu helfen, wo ich nur kann, und stemme auch mal einen Balken mit, aber natürlich doch nur, wenn ich das Gefühl habe, derjenige hat diese Hilfe auch verdient. Dieser Mensch dort unten aber wirft mir vor, ich hätte ihn und seine Frau entzweit. Da musst du wieder schmunzeln, my friend. Mir aber ist gar nicht nach Witzen. Was kann ich denn dafür, dass dieser dreiste Mensch dort unten seiner Frau, sobald sie abends von der Arbeit kommt und kaum ihre schwere Tasche von den Schultern hat gleiten lassen, anstatt ihr nun zum Beispiel aus den Schuhen zu helfen, versucht, die beste Freundin schlechtzureden. Was kann ich dafür, dass er sie fast jeden Abend, hat er erst seine Lippen
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