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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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zu Jaro und raunte ihm zu: »Das ist nicht der Punkt. Ich wäre fast verbrannt! Ich hatte so schlimme Verletzungen, dass ich fast gestorben wäre. Und ich habe mein Gedächtnis verloren. Es war eine schwierige Zeit, doch das Schlimmste liegt jetzt hinter mir. Ich bitte dich nur darum, mir die Wahrheit zu sagen, nicht mehr und nicht weniger.«
    Jaro sah mich mit weit aufgerissenen Augen an. Ich umfasste sein Handgelenk: »Bitte.«
    »Eigentlich    …«, begann er, »gibt es gar nicht so viel zu sagen. Das Einzige, worum Anouk mich gebeten hat, war … Also, ich sollte dir nicht erzählen, dass du … früher gern … nun ja … Du hast gern mal einen über den Durst getrunken, aber letztendlich haben wir das doch alle …«
    »Was?«
    »Wir haben doch früher gerne mal zusammen was getrunken, wir vier.«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Jaros Worte weckten in mir keinerlei Erinnerungsbilder.
    »Das war, bevor Zuzana auf diese ›Fit-for-Life-Schie ne ‹ aufsprang.« Jaro verdrehte die Augen. »Keinen Kaffee mehr, nur noch einmal die Woche ein Glas Weißwein undansonsten Salat, Salat, Salat, sodass er dir schon zu den Ohren rauswächst!«
    »Lenk nicht ab.«
    »Wie gesagt, wir haben damals alle mehr getrunken.«
    »Und ich habe mich dabei besonders hervorgetan.«
    Jaro blickte zum Fenster hinaus. »Wenn du so willst, ja.  Ich erinnere mich an das letzte Mal, als du ziemlich getankt hattest. Wir waren im Zofín, danach noch in irgendeiner anderen Kneipe und sind schließlich bei euch zu Hause gelandet. Ich weiß nicht mehr, was wir dort noch zu uns genommen haben, aber Tequila war bestimmt dabei.«
    Mein Herz pochte. Gespannt wartete ich auf die Fortsetzung. Als Jaro jedoch einfach stumm blieb, drängte ich: »Das ist doch nicht alles.«
    »Ach, Max. Du wurdest immer ziemlich forsch, wenn du getrunken hattest.«
    »Du meinst
ziemlich aggressiv

    »Na ja.«
    »Und was genau geschah dann?«
    »Ihr habt euch gestritten, du und Anouk.«
    Auf einmal wollte ich von all dem nichts mehr wissen. Aber Jaro war nun nicht mehr zu stoppen. Mit fast kindlichem Trotz in den Augen sah er mich an und erzählte: »Ich weiß nicht mehr, worum es ging, auf jeden Fall war’s nur eine Banalität. Und dann bist du auf sie losgegangen. Du hast ihr eine gescheuert.«
    »Ich habe Anouk
geschlagen

    »Du hast ihr eine – wie man so schön sagt – schallende Ohrfeige verpasst. Sie ist umgefallen und mit dem Kopf gegen die Tischkante geknallt. Gott sei Dank ist ihr nichts weiter passiert. Ich meine, sie war nicht schlimm verletzt oder so. Das war das letzte Mal, dass wir euch gesehenhaben. Ihr müsst kurz darauf nach Deutschland zurückgekehrt sein.«
    Jaros Worte hallten von irgendwo an mein Trommelfell. Ich spürte, wie mein Gesicht vor Scham brannte, wie ich schluckte. Dann schaute ich in Jaros Augen und entdeckte sein Bedauern darin. Es war, als trennte uns eine Glasglocke. Als säße ich unter dieser Glocke und draußen war die Welt.
    Wie aus weiter Ferne hörte ich Jaro sagen: »Zuzana und ich, wir hatten angenommen, dass euch der Vorfall so unangenehm war, dass ihr euch deshalb nicht mehr gemeldet habt. Es tat uns so leid. Wir hatten so schöne Zeiten miteinander, so viel Spaß. Und dann plötzlich, von heut auf morgen, ist der Kontakt abgebrochen. Wir haben das sehr bedauert.«
    Ich saß regungslos da. Jaros Wortschwall ergoss sich über mich wie ein eisiger Regenschauer.
    Ich hatte Anouk geschlagen. Ich hatte unter Alkohol die Kontrolle verloren. Und ich wusste nichts mehr von alldem.
    Julie hatte mal von Selbstschutz gesprochen. Jetzt schossen mir ihre Worte wieder durch den Kopf. Sie hatte mich informiert: Manche Patienten verdrängen die Erinnerung an unangenehme Ereignisse aus der Vergangenheit mit aller Kraft. Unter Umständen kommen diese nie wieder an die Oberfläche.
    Was hatte ich in meinem früheren Leben noch alles getan? Was für ein Mensch war ich gewesen? Wie schrecklich, dass meine Umgebung ganz selbstverständlich etwas von mir wusste, was mir verborgen blieb.
    Jaro riss mich aus meinen Gedanken. »Mensch, Max, lass doch die Vergangenheit ruhen. Du hast deine Gesundheit wieder, du hast noch einmal Glück gehabt bei diesemBrand. Und du hast eine Frau, die dich über alles liebt, das sieht ein Blinder. Eine Frau, die alles für dich tun würde. Denk an mich: Ich habe eine Frau, für die ich alles tue und die für sich alles tut.« Er lächelte. Es war ein kleines, trauriges Lächeln. Dann beugte

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