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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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unter uns leuchteten in beinahe unwirklichem Grün, im Garten lehnten sich pralle rosa Pfingstrosen über den Zaun, die Buchenhecke, die unser Grundstück umgab, stand in sattem Maigrün und links und rechts des Eingangs wucherte eine gelbe Kletterrose.
    Anouk hielt vor der weißen Doppelgarage, ließ die Scheibe herunter und tippte einen Zahlencode auf einer Bedientafel ein. Das Tor öffnete sich langsam. Vor uns tauchten die Hecks eines schwarzen Jeeps und eines schwarzen Porsches auf. Anouk zog den Zündschlüssel ab.
    Am Flughafen in Zürich hatten wir uns diesen Mietwagen genommen. Anouk hatte darauf bestanden. Für den Zug hatten wir zu viel Gepäck, sie wollte aber auch nicht mit einem Fremden zwei Stunden in einem Taxi von Zürich bis Bregenz zurücklegen müssen. Auch wenn das bedeutete, dass wir morgen zunächst den Leihwagen wieder loswerden mussten.
    Ich stieg aus und drehte mich einmal um mich selbst, ließ den Blick rundum schweifen, um jedes auch noch so winzige Detail aufzunehmen. Das Abendlicht auf den gelben Rosen, das Grün der Wiesen, das Weiß unseres Hauses, all das schien perfekt. Und doch war die Luft voller Ahnungen, schien das Idyll mir trügerisch. So sehr ich auch rätselte, ich konnte nicht sagen, ob die Ahnungen mich aus der Vergangenheit heraus berührten oder ob es eine auf die Zukunft gerichtete abstrakte Furcht vor dem Leben war.
     
    Wir betraten das Haus durch die Garage. Die ganze Zeit über sprachen wir kein Wort. Als hätten wir beim Hinauffahren des Bergs eine stumme Übereinkunft getroffen. Ich bemerkte wohl, wie Anouk mir ein ums andere Mal einen Blick zuwarf. Aber ich sah sie nicht an, wusste also nicht,ob er besorgt oder forschend, neugierig oder ängstlich war. Ich wollte, ich
konnte
jetzt nicht sprechen und Anouk wusste das.
    Mit klopfendem Herzen betrat ich das Wohnzimmer. Ein in Weiß und hellem Grau gehaltener Raum, der wohl bewusst zurückhaltend möbliert und dekoriert war, um die Aufmerksamkeit nicht von der grandiosen, ja atemberaubenden Aussicht abzulenken. Ich stellte mich ans Fenster und lauschte dem Hämmern meines Herzens. Dabei fühlte ich eine Beklemmung, die so dumpf war, dass ich sie an den Rand meines Bewusstseins drängte, um nicht komplett von ihr überwältigt zu werden.
    Mit einem Ruck löste ich mich aus meiner selbst gewählten Erstarrung und ging in die Küche. Auf der Arbeitsfläche aus grauem Stein lag eine beige Karte aus handgeschöpftem Papier. »Willkommen daheim«, stand in geschwungenen Lettern darauf. Und: »Im Kühlschrank ist Lasagne. Wenn ich nichts höre, bin ich übermorgen früh um 8.00   Uhr bei Ihnen. Mit herzlichem Gruß, Martha Meerbaum.« Ein Strauß roter Tulpen stand daneben. Ich stockte und blinzelte irritiert.
    Anouk war neben mich getreten. »Wie lieb von ihr, dass sie daran gedacht hat …«
    Ich wollte mich an etwas erinnern, doch es blieb blass und verwaschen.
    Anouk nahm die Karte in die Hand. Ich betrachtete den Strauß noch eine kurze Weile, kam mir dann töricht vor und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Es bildete zusammen mit dem Esszimmer einen Raum.
    Der Tisch war festlich gedeckt, mit weißem Porzellan und roten Kerzen. Ich ging weiter, durch die nächste Tür, hinter der das Arbeitszimmer lag – meines, wie ich sofort erkannte. Gespannt sah ich mich um. Seitlich befanden sichein offener Kamin aus grauem Marmor, ein paar Stühle, davor eine Sitzgruppe aus Leder in demselben Grau und ein kleiner, eigenartig geformter Steintisch. Auf der anderen Seite ein Schreibtisch, ein Flachbildschirm.
    Flüchtig öffnete ich ein paar Schubladen, sah Büromaterial, Papiere und ein Mobiltelefon, von dem ich annahm, dass es meines war. Ich spürte, dass Anouk hinter mir das Zimmer betreten hatte, drehte mich aber nicht um.
    Und dann ging alles ganz schnell.
    Wie ferngesteuert rannte ich nach oben, von einem mir unerklärlichen Bedürfnis getrieben. Von Raum zu Raum. Bis ich ins Schlafzimmer kam, wo ich auf der Schwelle stehen blieb, mit rasendem Puls.
    Ich starrte in den Raum. Es gab auf den ersten Blick nichts, was meine Angst hätte auslösen oder erklären können. Wie alle Räume war auch das Schlafzimmer lichtdurchflutet. Die Möbel, die darin standen, waren klar und nüchtern, im Grunde sogar unpersönlich wie in einem Hotelzimmer.
    Und dennoch war da etwas.
    Ich konnte den Raum nicht betreten. Was war das für eine Wahrheit, die mein Gedächtnis nicht mehr kannte, mein Körper aber sehr wohl?
    Anouk war mir gefolgt, sie

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