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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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stand ganz dicht hinter mir, ich spürte ihre Wärme und plötzlich umarmte sie mich fest. Sie schlang ihre Arme um meine Brust und umklammerte mich und ein Schluchzen brach aus ihr heraus, ein Beben, das ihren ganzen Körper erschütterte.
    Welche Erinnerungen geisterten durch dieses Zimmer?
     
    In dieser Nacht träumte ich wirres Zeug. Zum ersten Mal seit dem Brand war ich wieder in der Halle meiner Firma. Es war heiß, so heiß, dass ich keine Luft mehr bekam.Die Flammen leckten mir gierig entgegen. Auf einmal: ein Schrei – ein gellender Laut, den ich nicht zuordnen konnte, weil das Feuer um mich her noch lauter brüllte.
    Jetzt überschlugen sich die Bilder und purzelten wild durcheinander: Kurz erschien das Bregenzer Haus, dann der Garten, in dem rote Tulpen wie Schlingpflanzen wucherten. Unvermittelt wurde der Garten wieder zu der Halle, in der das Feuer tobte. Mir wurde immer heißer. Plötzlich tat es einen Schlag und etwas stürzte von der Decke. Ein Balken.
    Dann riss der Film und ich wechselte zu einer anderen Traumszene. Hier war Anouk. Sie kniete über irgendetwas, richtete sich langsam auf, trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick frei. Auf eine Gestalt am Boden.
    Ich erkannte mich selbst, blutüberströmt. Und ich wusste, dass ich tot war.

Barbara
    Am nächsten Morgen wurde ich durch die Türglocke geweckt. Draußen stand eine schöne Frau mit dramatisch geschminktem Mund und lachte mich an. Es war Barbara.
    Für den Bruchteil einer Sekunde schien Anouks Lächeln in den Mundwinkeln festzufrieren. Ihr Gesicht stand in seltsamem Gegensatz zu ihren Worten: »Bärbel, was für eine Überraschung!«
    Ein wenig hölzern erwiderte sie Barbaras Umarmung. Während Anouk Küsse auf beide Wangen entgegennahm, fühlte ich Barbaras Blick auf mir ruhen. Sie sagte: »Frau Meerbaum hat mich angerufen. Sie hat mir gesagt, dass ihr da seid.«
    Barbaras Augen waren dunkel und auf eine Art und Weise geschminkt, die mich an Brigitte Bardot oder an Frauen aus den 60er-Jahren erinnerte. Sie hatte welliges dunkelbraunes Haar, trug ein enges schwarzes Kleid mit einem breiten Gürtel. Der Ausschnitt des Kleides lenkte den Blick auf ein üppiges Dekolleté. Rote Fußnägel lugten keck unter feinen Riemchen von ziemlich hochhackigen Sandaletten hervor. In Barbaras Stimme schwang eine weiche Vorarlberger Kadenz mit.
    Es gab nichts an dieser Frau, was mir bekannt vorgekommenwäre. Sie ging auf mich zu, drückte intensiv meine Hände und ich glaubte, Tränen in ihren Augenwinkeln blitzen zu sehen. Die roten Lippen lachten und gaben den Blick frei auf ebenmäßige weiße Zähne. Sie wandte sich an Anouk: »Dass du ihn wiedergebracht hast!«
    Ich lächelte ebenfalls und war ein wenig verlegen angesichts der offensichtlichen Rührung, die meine Rückkehr auslöste. Barbara hielt meine Hände noch immer fest umklammert und ich wusste nicht so recht, wie ich mich elegant aus ihrem Griff lösen konnte.
    »Also, Max, du hast uns ja einen gehörigen Schrecken eingejagt. Und dann all diese Operationen, wir glaubten schon, ihr würdet nie mehr zurückkommen.« Sie verstummte und betrachtete mich eindringlich. Ihre Aufmerksamkeit kam einer Röntgenuntersuchung gleich. Dann hakte sie sich bei mir unter und führte mich in unser Wohnzimmer. Sie sprach weiter. Die Worte sprudelten nur so aus ihr heraus, über Amerika, das Fliegen und die Aussicht, die von uns hier oben
noch
schöner sei. Anouk hatte erwähnt, dass Barbara mit ihrem Mann etwas unterhalb, in unmittelbarer Nachbarschaft zu uns, lebte.
    Barbara richtete sich wieder an Anouk: »Karl hat ja gesagt, ich soll euch um Gottes willen erst mal in Ruhe ankommen lassen. Aber was weiß denn Karl schon.« Sie berührte Anouk am Ellenbogen. Die beiden lächelten sich an.
    Anouk kochte Kaffee, Barbara folgte ihr in die Küche und ich entschuldigte mich. Ich wollte duschen und mich anziehen. Außerdem musste ich Zeit gewinnen.
    Barbara. Während das heiße Wasser in einem dicken Strahl auf meinen Rücken prasselte, versuchte ich zu rekapitulieren, was ich über Barbara wusste. Was hatte Anouk mir erzählt?
    Barbara war mit Karl verheiratet, auch ihn kannte ich von Bildern. Ein durchtrainierter, braun gebrannter Mann in unserem Alter, mit blondem Haar, das an der Stirn auszukahlen begann.
    Barbara war Anouks beste Freundin. Die beiden Frauen hatten sich während des Studiums in Wien kennengelernt. Als Anouk mich heiratete, heiratete Barbara Karl.
    Karl handelte mit Immobilien und hatte uns

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