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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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Vernünftiges antworten zu können: »Meines Wissens haben wir nach Russland noch kein Angebot abgegeben. Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Ich … ähm …« Was sollte ich jetzt antworten? Sollte ich ihm von all den Einreisestempeln in meinem Pass berichten? Warum wusste er nichts davon? Was um Himmels willen hatte ich so oft in Russland gemacht, wenn ich
nicht
für mein Unternehmen gereist war? Schmierige Geschichten über Gewerkschaftsführer auf Lustreisen in Brasilien kamen mir in den Sinn und mir wurde immer unbehaglicher. Mein Verstand lief im Kreis wie ein gefangenes Tier hinter Gitterstäben. Mir fiel beim besten Willen keine plausible Antwort ein. Und so schwieg ich.
     
    Während ich den Wagen über den kleinen Grenzübergang von Lindau nach Österreich lenkte, rief ich bei der Lindauer Polizei an. Nach einigem Hin und Her vereinbarte ich einen Termin für den nächsten Vormittag. Ja, ich könne die Akten bezüglich des Brandes einsehen, wurde mir schließlich versichert.
    Dann überlegte ich, wie ich in Erfahrung bringen konnte, was ich so oft in Russland getrieben hatte. Ich beschloss, mich in dieser Frage vorsichtig an Anouk heranzutasten. Der Rettungsanker, an den ich mich gedanklich klammerte, war, dass Anouk und ich offenbar schon immer ein Faible für die russische Kultur gehabt hatten.
    Aber dann hatte ich noch eine andere Idee: Bevor ich mich vor Anouk in wirren Fragen verhaspeln würde, könnte ich nach
ihrem
alten Reisepass suchen. Vielleicht würde ich darin die gleichen Sichtvermerke finden.
    Als ich nach Hause kam, war niemand da. Dies war nichtweiter verwunderlich, da mich um diese Zeit sicherlich keiner zurück erwartete. Frau Meerbaum war inzwischen gegangen und wo Anouk steckte, konnte ich noch nicht einmal ahnen.
    Ich hatte also beste Gelegenheit, mich sofort auf die Suche nach Anouks Reisepass zu machen. Anouk würde spätestens gegen 19   Uhr zurück sein. Das zumindest wusste  ich. Anouk hatte am Morgen in meinem Beisein Frau Meerbaum nach dem Sendetermin einer Gartensendung im Bayerischen Fernsehen gefragt. Unsere knurrige Hausangestellte hatte daraufhin etwas von 19   Uhr gemurmelt.
    Im Grunde suchte ich gerade eine Stecknadel im Heuhaufen, soviel war klar. Aber wenn ich systematisch vorgehen würde, von unten nach oben, konnte ich vielleicht erfolgreich sein.
    In meinem Arbeitszimmer war erwartungsgemäß nichts zu finden. Ich durchstöberte die Regale im Wohnzimmer. Dabei stieß ich auf Berge von Gartenzeitschriften und CDs. Verblüfft zog ich eine ganze Batterie von Rammstein-Aufnahmen hervor. Wie konnte Anouk sich nur dieses widerwärtige Zeug reinziehen?
    Außerdem fand ich zahlreiche Ausgaben von ›Yacht‹ und ›Sailing‹. Die mussten mir gehören. Ich dachte kurz darüber nach, wie es möglich war, durch so ein Ereignis auch seine Passion zu verlieren. Andererseits hatte ich in den vergangenen zwei Jahren weiß Gott andere Sorgen gehabt!
    Dann war ich an der Tür zu unserem Schlafzimmer angelangt. Wie jedes Mal verspürte ich auf der Schwelle dieses ungute Gefühl. Es war mittlerweile Viertel vor sieben. Mit einem Ruck drückte ich die Klinke herunter und betrat den Raum. Aufgeräumt und scheinbar friedlich blickten mir die Einrichtungsgegenstände entgegen.
    Das Innenleben von Anouks Sekretär war hingegen chaotisch. Alles mögliche war wahllos hineingestopft worden.  In der untersten Schublade fand ich alte Briefe und erkannte, dass sie von mir stammten. Ich las Absender und Poststempel. Ich musste sie während meiner Auslandspraktika geschrieben haben, aus Hatfield. Was hatte ich für eine  eckige, ungelenke Krakelschrift gehabt! Gerne hätte ich ergründet, was ich damals für ein Mensch gewesen war, was mich bewegt hatte, was ich für wert befunden hatte, zu Papier zu bringen. Und wie ich Anouk meine Liebe zu ihr begreiflich gemacht hatte. Aber etwas hielt mich zurück, die Briefe aus den Umschlägen zu ziehen. Etwas hinderte mich daran, sie auseinanderzufalten und die krakelig festgehaltene Wahrheit zu erkunden. Ich stopfte alles zurück. Schließlich war ich auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem.
    Ich wühlte mich weiter durch Briefmarken und Umschläge, fand einen Hefter, einen Fotoapparat, einen Locher und einen Stempel. Ich stutzte. Ein Rundstempel, so, wie man ihn auf Ämtern verwendet? Ich holte ihn heraus und sah ihn mir genauer an. Was um Himmels willen hatte Anouk zu stempeln gehabt? Ich drehte das Teil in der Hand, konnte aber die spiegelverkehrt

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