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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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Kälte, die ihn wieder hergetrieben hat. Es hatte bestimmt nicht mehr als minus zehn Grad, und das seit Tagen.«
    »Und die Polizei?«
    »Die Polizei?«
    »Na ja, wenn das bekannt war, hat ihn denn keiner angezeigt?«
    Wenzlow räusperte sich. »Tja … also … wir haben damals auf eine Anzeige verzichtet.«
    »Aha.« Ich überlegte. An dieser Stelle hätte ich gerne nachgebohrt, aber ich durfte mich jetzt nicht an Details festbeißen. »Und wie ist Giaconuzzi aufs Gelände gekommen?«
    »Die ersten beiden Male wohl durch ein Loch im Zaun. Zu den Obstplantagen hin. Dann hat man das repariert und das nächste Mal war er mit einem Bolzenschneider am Werk. Da ist der Lemberg aber richtig abgegangen. Er hat ihn sich vorgeknöpft und hätte seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass …« Wenzlow verstummte. Er schien sich derRedewendung, die er soeben verwendet hatte, bewusst zu werden.
    »Dass was?«
    »Dass Giaconuzzi es nicht noch einmal wagen würde.«
    »Aber schließlich hat Giaconuzzi es doch noch mal probiert. Und es ist schlecht ausgegangen für ihn«, murmelte ich vor mich hin.
    »Naja, hätte sich halt nicht ins Koma saufen sollen, noch dazu mit ’ner brennenden Zigarette in der Hand.«
    »Dass das so schnell gehen kann …«
    »Ob’s schnell gegangen ist, wissen wir nicht. Vielleicht kokelte das erst ewig vor sich hin.«
    »Die Zigarette ist also auf den Schlafsack gefallen?«
    »Ich nehme mal an, dass er sich, wie’s halt so üblich ist, gut mit Zeitungspapier ausstaffiert hat … Isoliermaterial, wenn man so will … rundherum. Aber warum fragen Sie nicht bei der Polizei nach, ich meine, Sie könnten da sicher mal einen Blick in die Akten werfen.«
    Ich nickte.
    Dann fiel mir plötzlich noch etwas ein, was ich unbedingt erfahren musste. Ich fasste mir ein Herz und hob an: »Sie sagten vorhin,
ich
, ich habe …«, ich räusperte mich noch einmal, »…   immer viel gearbeitet.«
    »Könnte man sagen, ja.«
    Ich zögerte wieder. Die Frage, die ich zu stellen gedachte, fiel mir nicht leicht. Konnte ich dem Mann wirklich vertrauen? Würde er den Mund halten? Doch ehe die Vorsicht mich bremsen konnte, warf ich alle Bedenken über Bord und hörte mich selbst: »Und meine Frau?«
    »Ihre Frau?« Wenzlow schien den Sinn meiner Frage nicht zu verstehen.
    »Ja. Wie stand Anouk dazu, dass ich so viel gearbeitet habe?«
    Er sah mich stumm an. In sein Gesicht trat ein Ausdruck, den ich nicht zu deuten wusste. Auch meinte ich, eine Änderung in seiner Haltung wahrzunehmen. Mir war, als ginge er plötzlich in Hab-Acht-Stellung. Er räusperte sich. Dann sagte er: »Es gab … gewisse Spannungen zwischen Ihnen.«
    »Spannungen.«
    Wenzlow wandte sich ab, nahm Papiere von einem Stapel und legte sie auf einen anderen. Ich betrachtete seinen Rücken, beobachtete seine Bewegungen, wie er die Ecken des Stapels gerade rückte.
    Dann drehte er sich unvermittelt um und sagte: »Herr Winther. Ich habe gehört, dass Sie viele Monate in der Klinik waren. Ich habe gehört, dass Ihre Frau immer an Ihrer Seite war. Warum wollen Sie in die Vergangenheit reisen, wenn die Gegenwart so viel besser aussieht? Lassen Sie die alten Geschichten ruhen. Fangen Sie einfach von vorne an.«
    Ich war nicht fähig zu antworten. Mein Blick ruhte weiterhin auf Wolf Wenzlow und er schien auch gar keine  Antwort zu erwarten. Er strahlte jetzt fast so etwas wie Güte aus. Auf einmal überkam mich eine brennende Sehnsucht danach, all meine Vorsätze fallen zu lassen und diesen Mann komplett einzuweihen, ihm von meiner inneren Zerrissenheit zu erzählen. Und von den eigenartigen  Anfällen in meinem Schlafzimmer und in dem verwunschenen Garten. Doch irgendetwas hielt mich davon ab.
     
    Den restlichen Tag über bemühte Wenzlow sich, mich vollkommen sachlich mit allerhand Informationen über aktuelle Entwicklungen in meinem Unternehmen zu versorgen. Doch ich hatte Mühe, mich zu konzentrieren. Mein Bürokam mir fremd vor. Nur mit der resistenten Ulme vor dem Fenster konnte ich etwas anfangen. Sie spendete mir Kraft, wann immer ich hinaussah.
    Meine Gedanken schweiften ab, zurück zu Toni Giaconuzzi, der auf so entsetzliche Weise ums Leben gekommen war. Wenzlow erzählte mir dies und jenes, zeigte mir Pläne und Verträge. Und schließlich ging er mit mir in die neue Halle, die nach dem Brand errichtet worden war und in der man gerade den zweiten Simulator für die syrische Bahn zusammenbaute.
    Während ich den Blick durch die wie geleckt

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