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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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verändert einen Menschen halt.« Musste ich mich vor dieser Person rechtfertigen, wenn ich ein Bild aufhängen wollte! Was dachte sie sich überhaupt.
    »Bei Ihnen stimmt das jedenfalls. Aber ich bin nicht bös’ drum.«
    »Ja? Naja also.« Ich räusperte mich. Die Zeit wurde nun wirklich knapp. »Zum Beispiel finde ich, dass der Spiegel im Schlafzimmer woanders besser aussehen würde.«
    »Haben’S denn schon mit der Frau Anouk d’rüber g’sprochen?«
    Frau Meerbaum begann, die Geschirrspülmaschine auszuräumen. Das Sonnenlicht fiel schräg auf die schwarze Arbeitsplatte aus Granit und berührte Frau Meerbaums eisgraues Haar. Sie wirkte kühl und abweisend. Offensichtlichwartete sie darauf, dass ich ging. Es war gar nicht so leicht, Frau Meerbaum durch Gerede von der Arbeit abzuhalten.
    »Ich frage mich, ob ein buntes Bild den Raum nicht eher beleben würde. Ein bisschen Farbe ins Haus bringen, das sollte man!« Durch und durch behämmert kam ich mir vor und Frau Meerbaum schien derselben Meinung zu sein.
    Schnell trank ich meinen Kaffee aus. Er schmeckte lack und lauwarm. Frau Meerbaum schwieg konsequent, räumte klappernd Geschirr aus, öffnete Schranktüren und schloss sie wieder. Gerade als ich mich geschlagen geben wollte, kam sie doch noch aus der Reserve: »Aber net wieder dieses scheußliche Bild, wo mich der Deibel immer beim Bettenmachen ang’schaut hat!«
    Ich umklammerte die Tasse fester. Wie beiläufig wollte ich wissen: »Ja, warum denn nicht? Und wo ist dieses Bild überhaupt?«
    »Des hat die Frau Anouk doch in den Keller getan, mit mir zusammen, weil doch damals die Flecken draufkommen sind.« Sie presste die Lippen zusammen und sah aus, als müsste sie sich bremsen, nicht weiterzusprechen.
    Ich war jetzt hellwach und mit allen Sinnen bei Frau Meerbaum. »Das Bild … Ich weiß, ehrlich gesagt, gar nicht mehr genau, welche Farben es hatte.«
    Nur widerwillig schien Frau Meerbaum sich zu einer Antwort durchzuringen. »Ja, blau und gold ist’s doch g’wesen, und die Früchte gelb und rot, das Engele war hellblau und gold und das Teufele halt so, wie’s sind: rot und a bisserl schwarz. Aber tun’S mir einen G’fallen und lassen’S des Ding da, wo’s is’!«
    »Wenn es Ihnen partout nicht gefällt, dann werden wir sicher ein anderes finden. Aber sagen Sie, was waren denn das für Flecken, die darauf gekommen sind?«
    »Des müssten
Sie
doch am besten wissen!«
    Ich spürte, wie eine heiße Röte mein Gesicht und meinen Hals überzog. Fühlte mich wie ertappt von dieser Frau, die nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen schien.
    Frau Meerbaum hatte sich inzwischen dem Kühlschrank zugewandt und begann, die Einkäufe aus ihrer Tasche zu holen. Ich sah ihr zu, wie sie Butter und Joghurt, Eier und Speck auspackte. Völlig unvermittelt hob sie an: »Ja, das war bei meinem verstorbenen Mann, dem Walter, auch so. Hinterher hat er von nix wissen wollen. Aber Sie werden sich doch erinnern, dass Sie die Flasch’n mit dem Rotwein an der Wand zerdeppert hab’n.«
    Ich musste sie angesehen haben wie ein bedauernswerter Schwachkopf, denn ihre Stimme wurde leiser und weicher, als sie sagte: »Na, das ist ja alles Gott sei Dank Vergangenheit. Sie tun jetzt ja gar nimmer trinken. Schaun’S, des ham’S dem Walter voraus: Der hat bis zum Schluss g’soff’n. Und dann isser einfach umg’fall’n.«
    In diesem Moment hörte ich Schritte auf der Treppe. Rasch sagte ich das Erstbeste, was mir in den Sinn kam. »Ich habe so einen großen Hunger. Können Sie mir nicht ein bisschen Speck anbraten?«
    Frau Meerbaum zuckte die Achseln und sagte: »Ja, wenn’S meinen …«
    Sie klapperte mit der Pfanne, öffnete eine Packung Speckwürfel und stach ein Stück Butter ab. Ich drehte mich um. Anouk stand stumm im Türrahmen. Ich hätte beim besten Willen nicht erraten können, was sie dachte.
     
    Eilig würgte ich den Speck hinunter. Nebenbei blätterte ich in der Zeitung, in der Hoffnung, unsichtbar zu werden. Wenn Frau Meerbaum nun, in Anouks Anwesenheit, bloß nicht das Gespräch über das Bild fortsetzte.
    Meine Gedanken rasten wie auf einem Formel- 1-Parcours , prallten aufeinander und überschlugen sich. Wie war es möglich gewesen, dass Anouk mir nie etwas gesagt hatte? Nicht in Garrapata Beach, als ich besonders stark von Alpträumen geplagt worden war, und auch sonst nicht! Sie wusste nur zu gut, dass ich im Traum Bilder gesehen hatte, die ich nicht einordnen konnte. Ausgerechnet dieses Bild hätte sie

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