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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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da zu sein. Jetzt erstsah ich in der Garage nach: Der Porsche stand an seinem Platz. War sie also zu Fuß unterwegs, machte sie vielleicht einen Spaziergang?
    Doch Anouk war seit unserer Rückkehr noch nie von hier aus losgegangen. Sie musste also im Garten sein.
    Und richtig, die Schiebetür, die in den Garten hinausführte, war nicht verriegelt. Behutsam schob ich sie auf und trat hinaus. Anouk war nicht zu sehen. Überhaupt machte der Garten einen fast verwaisten Eindruck. Über allem lag eine dumpfe Schwüle.
    Ich ging ein paar Schritte, betrachtete die buchsbaumgesäumten Beete, gelbe und rote Blumen, die Rosen. Zwar kannte ich mich im Gartenbau nicht aus, aber selbst ich wusste, dass Anouk hier ein kleines Paradies geschaffen hatte. Gedankenverloren beugte ich mich über den Lavendel, der die Rosen umwucherte, pflückte ein paar Blättchen und zerrieb sie in meiner Hand.
    Da hörte ich etwas Ungewöhnliches: ein Schaben und Kratzen im hinteren Bereich des Gartens. Langsam ging ich in die Richtung, aus der die Geräusche herüberdrangen. Irgendwer machte sich dort, hinter der grün glänzenden Hecke aus Kirschlorbeer, mit einem metallenen Gegenstand zu schaffen. Vorsichtig glitt ich zwischen den Büschen hindurch. Und sah – Anouk, schweißüberströmt. Das Haar klebte klatschnass an der Stirn. Wie rasend stach sie mit einem Spaten in einen Erdhaufen.
    »Was machst du da?«
    Sie fuhr zusammen, stieß einen Schrei aus, spitz und hoch. Entgeistert starrte sie mich an. Als habe sie einen lebenden Toten vor sich. Ihre Augen waren riesig und rund.
    » Du
bist es! Mein Gott, hast du mich erschreckt.« Sie hatte sich schnell gefasst und nahm ihre Tätigkeit wieder auf.
    Ich wiederholte meine Frage.
    Ohne aufzusehen sagte sie: »Ich hab mir heute den Kompost vorgenommen. Das hätte eh schon lange mal gemacht werden müssen.«
    »Aber das ist doch viel zu anstrengend für dich! Das kann ich gerne machen. Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben?«
    »Du bist ja nie da!« Sie funkelte mich an.
    »Nun gib schon her, ich mach das.« Ich griff nach dem Spaten.
    »Jetzt bin ich schon fertig.« Sie hielt den Spaten fest in der Hand und musterte mich schweigend, beinahe feindselig.
    »Was ist denn los?«
    Auf einmal wurde ihr Gesichtsausdruck wieder weich. »Nichts … nichts … Ich bin einfach nur … Schau mich an, ich bin verschwitzt und vielleicht ein bisschen gestresst.«
    »Es tut mir wirklich leid. Das wäre auf jeden Fall meine Aufgabe gewesen.«
    Sie strich sich über die Stirn. Dann zuckte ein Lächeln über ihr Gesicht. »Ja, Lieber, das weiß ich doch. Sag mal, wie wär’s, wenn du schon mal reingehst und mir ein Glas Eistee einschenkst? Das wäre ganz wunderbar.«
     
    In dieser Nacht saßen wir auf dem Balkon, Anouk mit einem Glas Chablis in der Hand, ich mit einem Glas Mineralwasser, und betrachteten die Lichter rund um den See. Der schwere süßliche Duft des Geißblatts versetzte mich in eine wehmütige Stimmung und ich dachte über das Leben nach. Es war so zerbrechlich. Oft waren es Sekunden, die den Lauf der Dinge in eine völlig neue Richtung brachten. Ein unachtsames Wort im falschen Moment, ein Augenblick der Unaufmerksamkeit am Steuer eines Wagens, dieEntscheidung, einen Menschen aus einer brennenden Halle zu retten – all das dauerte nur Sekunden.
    Plötzlich klingelte das Telefon. Barfuß, wie ich war, lief ich in die Diele.
    »Winther.«
    »Herr Winther, Hürli hier.«
    Ich drehte mich um zu Anouk, die noch auf dem Balkon saß und mich durch die Scheibe ansah. Ich lächelte ihr zu, sie wandte sich ab.
    Gedämpft fragte ich: »Was gibt’s denn?«
    »Ich will Sie nicht stören. Aber ich dachte, Sie sollten das wissen. Giaconuzzi ist wieder aufgetaucht.«
     
    Der rote Teppich und die messingfarbenen Tritthalter leuchteten mir schon von Weitem entgegen. Die Welt des Justus Hürli war so ganz anders als meine. Hier war »Hightech« ein Fremdwort. Als die altmodische Türglocke durch blechernes Läuten meine Ankunft verkündete, war von Hürli selbst nichts zu sehen. Also sah ich mich ein wenig im Antiquariat um. Mein Blick blieb an einem Buch hängen. Es hatte einen prachtvollen braunen Ledereinband und war auf blauen Samt gebettet.
    »Ja, der Mensch lässt sich gerne vom äußeren Schein gefangen nehmen, nicht wahr?«
    Ich hatte Hürli nicht kommen hören. Nun stand er unmittelbar hinter mir. Der Mann musste mit Katzenpfoten zur Welt gekommen sein.
    Schnell drehte ich mich um und suchte seinen

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