Der andere Tod
einen Kaffee wollte, was ich verneinte.
Die Schwüle im Zimmer war mit den Händen greifbar und wenn sie eine Farbe gehabt hätte, wäre es eine klebrige Mischung aus Gelb und Grau gewesen. Nach flüchtigem Nicken in meine Richtung schob die Polizistin das Aufnahmegerät in die Tischmitte, wohl, um das Mikrophon so auszurichten, dass ich direkt hineinsprechen konnte. Während sie daran herumhantierte, fiel mein Blick auf die Schweißflecken auf ihrer Bluse. Offenbar hatte die Gendarmerie kein Geld übrig für technischen Schnickschnack wie Klimaanlagen.
»Bitte nehmen Sie Platz, Herr Winther.«
Ich setzte mich langsam, legte die Hände vor mir auf den Tisch und wartete.
»Kommen Sie gerade aus dem Krankenhaus? Wie geht es Ihrer Frau?« Das war Brandner.
Aus meiner Kehle kam nur ein armseliges Krächzen. Ichräusperte mich laut und setzte erneut zum Reden an, verstummte aber sogleich wieder.
Ja, wie ging es Anouk eigentlich?
Erst jetzt fiel mir auf, dass ich bei all dem Trubel noch immer nicht dazu gekommen war, mit einem Arzt zu sprechen. Aber die näheren Gründe dafür würde ich hier nicht ausbreiten können.
»Ich hatte bisher noch keine Gelegenheit, mich zu informieren. Soweit ich es beurteilen kann … Also, die Schwester sagte: ›den Umständen entsprechend stabil‹.«
Die beiden Beamten hatten ihre Blicke streng auf mich gerichtet.
»Wie kommt es, dass Sie noch keine weiteren Informationen über den Gesundheitszustand Ihrer Frau haben?« Die Blonde wollte wohl alles ganz genau wissen.
»Ich … war die Nacht über dort, und bis ich dann heute Vormittag aufbrechen musste, war kein Arzt zu sprechen.«
»Sie waren schon unterwegs?«
»Ja.«
»In Geschäften?«
Ich zögerte. Was ging das diese beiden an? »Ähm … Ja.«
Sie wechselten einen kurzen Blick und Brandner fragte: »Was, bitteschön, waren denn das für Geschäfte?«
Ich erwiderte Brandners Blick: »Warum sollten Sie das wissen wollen?«
»Beantworten Sie einfach unsere Fragen, Herr Winther.«
Szenen aus Krimiserien tauchten von irgendwoher auf und ich fragte mich kurz, ob das jetzt der Moment wäre, in dem der zu Unrecht Verdächtigte seinen Anwalt zu sprechen verlangte. Stattdessen sagte ich: »Meine Frau liegt bewusstlos im Krankenhaus und Sie stellen mir Fragen zu meinen Terminen. Vielleicht sagen Sie mir doch zuerst, warum Sie das wissen wollen.« Kaum hatte ich den Mund zugeklappt,kam ich mir vor wie ein dickköpfiges Kind, das seine Grenzen austesten musste.
Brandner beugte sich vor, senkte die Stimme und verengte seine Augen zu Schlitzen. »Das werden Sie früher erfahren, als Ihnen lieb ist, Herr Winther. Also: Was für ein Geschäft war es, das Sie partout nicht aufschieben konnten?«
Ich sah das Leuchten in Brandners Augen. Es hatte etwas Unheilvolles, das mich davon überzeugte, ihn vorerst nicht weiter zu reizen.
»Eine Besprechung mit einem Geschäftspartner.«
»Name, Telefonnummer?«
Mir wurde schlagartig heiß. Diese Hitze hatte nichts mit der drückenden Schwüle im Verhörraum zu tun. Das Gespräch drohte eine Wendung zu nehmen, die für mich ganz unvorhersehbar gewesen war. Was sollte ich jetzt bloß antworten? Würde ich mich verdächtig machen, wenn ich weder Nummer noch Namen vorweisen konnte?
Die beiden Polizisten fühlten sich wohl in ihrer vorgefassten Meinung von mir bestätigt. Da sagte ich zu meiner eigenen Überraschung: »Hürli, Justus, aus St. Gallen. Er ist … er arbeitet in einem Antiquariat.«
»Ein Antiquar! Darf ich fragen, was Sie mit einem Antiquar zu besprechen hatten? In dieser – man kann es doch so nennen – schwierigen Phase Ihres Lebens?«
»Dürfen Sie nicht!« Trotzig hielt ich ihren Blicken stand.
Die Blonde kritzelte etwas in ihr Büchlein und Brandner sagte mit erzwungener Ruhe: »Nun gut, belassen wir es vorerst dabei.«
Ohne Überleitung fragte die Blonde jetzt: »Wie erklären Sie sich, dass man den Gegenstand, mit dem sich Ihre Frau die Verletzungen zugefügt hat, nirgends gefunden hat?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich und hörte selbst, wie lapidar das klang.
»Bitte schildern Sie uns den Hergang.«
Den Hergang? Ich horchte auf. Sagte man nicht
» Tat hergang
« und kam dieses Wort nicht auch in diesen Krimiserien vor? Was wollten die mir da anhängen?
Völlig eingeschüchtert begann ich zu erzählen, wie ich nach Hause gekommen war. Ich schilderte alles so, wie ich es in Erinnerung hatte, wobei ich jedoch peinlichst darauf achtete, nichts für mich
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