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Der andere Tod

Der andere Tod

Titel: Der andere Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Jonuleit
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sofort hingehen und Max zusammenschlagen, soviel ist sicher. Einmal, als ich außer den üblichen blauen Flecken auch noch Striemen hatte, war ich drauf und dran, Tom alles zu sagen.
    Aber was würde es helfen? Ich würde alles verlieren, ich wäre ein Nichts, ich hätte nichts. Noch nicht einmal ein Auto, denn beide sind auf Max zugelassen. Er hat alles an sich gerissen. Wie ist es möglich, dass ich all die Jahre nicht versucht habe, etwas zu ändern?
    Manchmal habe ich den Verdacht, dass er mich – mit seinenMitteln – zur Scheidung zwingen will. Ich weiß auch, dass er andere Frauen hat, ich habe den Verdacht, dass er wieder etwas mit B. angefangen hat. Er gibt sich kaum Mühe, das vor mir zu verbergen. Mitten in der Nacht poltert er ins Schlafzimmer mit ihrem schwülen Parfüm in den Haaren!
    Ich frage mich, welches Spiel er spielt. Einmal habe ich in der Sofaritze einen Slip gefunden, ein billiges Ding von C&A, in pinkem Leopardenmuster. Eigentlich hat die Meerbäumin das Ding beim Absaugen der Sofakissen gefunden, ich habe es ihr dann als »meines« verkauft. Aber sie hat mich so merkwürdig angesehen, mit so einem Blick …
    Ich beginne, ihn zu hassen. Oder tue ich das sowieso schon seit Langem? Ich will es vor mir selbst nicht zugeben. Was bin ich für eine Memme, die es nicht wagt, den nächsten – unbequemen – Schritt zu tun? Wozu hat er mich gemacht?
    Wie ich ihn hasse.
     
    Mir graute, graute vor mir selbst. Und ich hätte mein Vermögen dafür hergegeben, mit sofortiger Wirkung im Erdboden versinken zu können – schon allein, um der blonden Polizistin nicht mehr in die Augen sehen zu müssen.
    Meine zweite Reaktion waren leise aufkeimende Zweifel. Konnte das wahr sein? War hier wirklich von
mir
die Rede, war unsere Ehe
so
gewesen?
    Wenn ich dieses Tagebuch seinerzeit nur nicht aus falscher Scham beiseite gelegt hätte, wenn ich nur mehr darin gelesen hätte als diesen einen Satz! Dann hätte ich … ja, was? Was hätte ich tun können – Dinge ungeschehen machen?
    Während der nächsten Viertelstunde versuchte ich, den weiteren Fragen der Beamten so elegant wie möglich auszuweichen. Hartnäckig blieb ich bei meinem Kurs. Vor allem wollte ich den beiden klarmachen, dass die Einträgein Anouks Tagebuch vor langer Zeit entstanden und damit völlig überholt waren.
    Irgendwann ließen die Polizisten mich gehen, einen um Jahre gealterten Mann.
     
    Im Krankenhaus gelang es mir, einen Arzt zu erwischen, der mir Auskunft über Anouks Zustand geben konnte. Oder wenigstens über die medizinischen Mutmaßungen, die sie anstellten.
    Anouk habe unglaublich viel Blut verloren. Es sei ein Wunder, dass sie noch am Leben sei. Man habe sie mit Bluttransfusionen versorgt, um ihren Zustand zu stabilisieren, und jetzt könne man nur abwarten. Der Arzt, ein junger und engagiert wirkender Mann mit John-Lennon-Brille, bestätigte außerdem, was mir die Polizisten bereits gesagt hatten: dass Anouk mit Alkohol und Schlafmitteln vollgepumpt gewesen war. Er lächelte mir zu, ein kleines und bedauerndes Lächeln, das vielleicht auch ein wenig entschuldigend war. Er konnte mir beim besten Willen keine bessere Nachricht übermitteln.
    Auf meine Frage, wann Anouk aus ihrem Dämmerschlaf erwachen würde, zuckte er nur mit den Schultern und murmelte etwas von den »Grenzen der Medizin«.
    Die folgenden zwei Stunden saß ich an Anouks Bett. Man ließ mich in Ruhe und wenn hin und wieder die Schwester zur Kontrolle kam, so schwieg sie. Die einzige Kommunikation, die stattfand, basierte auf einem kaum wahrnehmbaren Nicken der Schwester, das auf vielerlei Arten interpretiert werden konnte. Als Gruß. Als Anteilnahme. Als hoffnungsvolle Aufforderung, den Mut nicht zu verlieren.

Trojanisches Pferd
    Es war eine andere Schwester, die mich an die Verrichtung eines dringenden Bedürfnisses erinnerte. Ich ging zur Toilette, sah mich im Spiegel an und erkannte sofort, was sie mir
eigentlich
hatte sagen wollen. Ich war ungewaschen, unrasiert, hatte verknautschtes Haar und dunkle Ringe unter den Augen.
    So also hatte ich den Polizisten gegenübergesessen. In der Tat kein sehr vertrauenerweckender Anblick, dachte ich. Mit beiden Händen schöpfte ich kaltes Wasser und tauchte mein Gesicht hinein. Ich zog Papierhandtücher aus dem Spender und wischte mir Wangen und Stirn, Nase und Mund trocken. Schließlich hatte ich Mühe, die Papierreste wieder von meinen Bartstoppeln loszubekommen.
    Eine Weile lang blieb ich vor dem Spiegel stehen. Die

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