Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
fortsetzten. Er und Eztli gaben sich die Hand und umarmten sich kurz.
Natürlich unterhielten sie sich auf Spanisch. Lupe erinnerte Ro an die Mitglieder der Latino-Gang »La Eme« im Gefängnis. Dort hatten sie sich von den weißen Insassen abgeschottet, was hier allerdings nicht der Fall zu sein schien. Während Eztli den Grund ihres Besuches erklärte, schaute Lupe mehrfach wohlwollend zu ihm hinüber. Schon Ros Körpersprache schien ihm zu signalisieren, dass er selbst mal hinter Gittern gewesen war. Und er hatte nicht nur gleich die 1 000 Dollar für seine Bemühungen gezahlt – die Lupe breit grinsend einsteckte, als ihm Eztli den Umschlag gab –, sondern auch weitere 5 000 demjenigen in Aussicht gestellt, der diese Frau auftreiben würde, die vor zehn Jahren einmal Gloria Gonzalvez hieß und eine der beiden Kronzeuginnen in Ros Prozess gewesen war.
Wieder im Auto, auf dem Weg von dem Industriegebiet zurück zum Freeway, zog Eztli kräftig am Joint und sagte: »Ich mag Lupe, aber ich denke, wir waren gut beraten, die anderen 5 000 Dollar nicht mitzubringen. Hast du gesehen, wie er gestrahlt hat, als ich ihm die 1 000 in die Hand gedrückt habe?«
»Ja«, sagte Ro. »Hätten wir ihm die 5 000 gegeben, wäre er wohl in Versuchung gekommen, sie selbst einzustecken.«
»Nicht nur in Versuchung«, sagte Eztli mit einem donnernden Lachen. »Wahrscheinlich grübelt er just in dieser Minute, wie er auch die 5 000 einsacken kann. Aber das soll nicht unsere Sorge sein. Ab morgen werden wir jedenfalls eine ganze Armee haben, die sich der Sache annimmt.«
»Hat er gesagt, bis wann er mit einem Ergebnis rechnet?«
»Er meinte, es könne nicht länger als eine Woche dauern, wenn die Nachricht erst einmal kursiert. Das ist ’ne Menge Kohle für diese Leute.«
»So viel wie Denardi in ein oder zwei Tagen einstreicht«, sagte Ro. »Für ihn ist es ein Klacks.«
»Da kannst du’s wieder mal sehen.« Eztli inhalierte noch einmal tief und blies dann den Rauch aus. »Das ist eine ganz andere Welt.«
Als er noch als Anwalt in seiner Kanzlei arbeitete, hatte die unvergleichliche Phyllis dafür gesorgt, dass unerwünschte Telefonate gar nicht erst an sein Ohr drangen. In den letzten zwölf Jahren hatte er im Büro nie das Telefon abgenommen, ohne genau zu wissen, wer am anderen Ende der Leitung war. Nach seiner Ernennung zum Staatsanwalt hatte Treya diese Funktion mit der ihr eigenen Zuverlässigkeit übernommen.
Seit sie sich verabschiedet hatte, war das Telefon zu einem konstanten Ärgernis geworden. Er musste dringend jemanden auftreiben, der dort am Empfang saß und ein Gespräch annahm. Aber auch wenn er ihr mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gedroht hatte, wünschte Farrell sich nichts sehnlicher, als dass Treya möglichst bald zurückkehren würde.
Ihm schauderte bei dem Gedanken, eine Aushilfe einzustellen, die nicht nur seine Gespräche in Empfang nehmen sollte, sondern zwangsläufig auch Interna aufschnappen würde. Und schlimmer noch: die möglicherweise nach Treyas Rückkehr einen Riesenzirkus veranstalten und womöglich noch die Gewerkschaft auf den Plan rufen würde, nur um ihren Arbeitsplatz mit Händen und Füßen zu verteidigen. Und noch eins war ihm im Lauf der letzten Tage klar geworden: wie wichtig Vertrauen war. Er vertraute Treya blind, während sich eine Aushilfe schnell als Informant des politischen Gegners entpuppen könnte. Oder sich für Geld schmieren ließ.
Farrell war das Risiko zu hoch.
Aber nun klingelte das Telefon, und er wusste nicht, wer es war, sah aber auch keinen triftigen Grund, das Gespräch nicht entgegenzunehmen. Also seufzte er, griff zum Hörer und sagte: »Staatsanwaltschaft, Wes Farrell am Apparat.«
»Mr. Farrell« – es war eine unverkennbare Stimme –, »ich habe einige sehr beunruhigende Informationen erhalten. Hier spricht Cliff Curtlee.«
»Mr. Curtlee, wie geht es Ihnen?«
»Nun, alles andere als gut, wenn Sie’s genau wissen wollen. Ich hatte gedacht, dass Sie und ich ein Agreement hätten.«
»In welcher Hinsicht?«
»In der Hinsicht, dass Sie meinen Jungen mit diesem gottverdammten Irrsinn verschonen würden. Ich dachte, mit dieser lächerlichen Anhörung letzte Woche wäre das Thema endgültig gegessen: Ro bekam wieder seine Kaution, obwohl mir sonnenklar ist, dass es in Ihrem Ermessensspielraum lag, das zu verhindern. Aber nachdem die Kaution gewährt wurde, ging ich davon aus, dass wir – Sie und ich – uns noch immer im Rahmen unseres Agreements
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