Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
den Sitznischen zum Einsatz kommen konnten. Auf dem Regal unter seinem Mini-Basketballkorb und ein paar juristischen Kompendien befand sich eine Espressomaschine mit Tassen, Gläsern und anderen Utensilien, einer Bastschale mit Zucker und Süßstoff und einer kleinen Auswahl von Alkoholika verschiedenster Qualität.
Es war Viertel vor elf am Samstagmorgen, ein Tag nach dem Mord an Felicia Nuñez. Farrell hatte sich auf dem Ledersofa niedergelassen, Amanda Jenkins und Abe Glitsky saßen ihm gegenüber auf den Sesseln. »Ich muss gestehen«, so hatte Farrell gerade gesagt, »dass ich etwas ratlos bin. Auf der einen Seite stimme ich Ihnen zu, dass es höchstwahrscheinlich Ro war, der Nuñez umgebracht hat. Auf der anderen Seite haben wir nicht mehr als einen Anfangsverdacht. Und ich weiß nicht, wie wir aus dieser Sackgasse rauskommen – und kann mir auch nicht vorstellen, dass Sie es darauf ankommen lassen wollen.«
»Ich würde es in Erwägung ziehen«, sagte Glitsky.
Farrell zuckte die Schultern und ging nicht darauf ein. »Was mir aber vor allem am Herzen liegt, ist die Fest stellung, dass Sie beide nicht den Eindruck haben sollten, als hätten Sie nicht meine volle Unterstützung, denn die haben Sie. Ich werde liebend gerne jeden konkreten Vorschlag von Ihnen erörtern, und aus diesem Grunde haben ich Sie ja auch heute hergebeten. Eines aber kann ich nicht: Ich kann den Burschen nicht ohne faktische Beweise aus dem Verkehr ziehen.«
Jenkins schlug ihre Beine übereinander und sagte: »Natürlich können Sie. Man kann ihn hochgehen lassen, weil er alkoholisiert wirkte; man kann ihn hochgehen lassen, weil er sich in einem Drogenumfeld auffällig ver hielt; man kann ihn hochnehmen, weil er auf den Bürgerstein gespuckt hat. Jeder Cop, der sein Geld wert ist, findet problemlos zehn Gründe, um jemanden anzuschleppen, bevor er auch nur Piep sagen kann. Ist es nicht so, Abe?«
»Grundsätzlich schon.«
»Grundsätzlich reicht völlig.« Sie nickte zu Glitsky hinüber, wandte sich dann aber wieder an Farrell. »Um es aber ganz konkret zu machen, Wes: Matt sagt mir, dass er Ro jederzeit festnehmen würde – unabhängig davon, was wir ihm vorwerfen. Egal, wie die Anschuldigung lautet, egal, wann. Wir haben schon darüber gesprochen.«
»Das freut mich für Sie, aber wer ist Matt?«
Jenkins konnte es sich gerade noch verkneifen, die Augen zu verdrehen. »Matt Lewis«, sagte sie mit übertrieben zur Schau gestellter Geduld. »Er ist ein Inspector der Staatsanwaltschaft und – auch wenn das hier keine Rolle spielt – mein langjähriger Freund.«
Farrell gab sich zerknirscht. »Ich vermute mal, dass der Politiker in mir sich daran hätte erinnern müssen«, sagte er. »Oder es überhaupt hätte wissen müssen. Aber ich bin in diesen Dingen ein hoffnungsloser Fall. Matt Lewis. Ab sofort werde ich den Namen nicht mehr vergessen.« Dann, mit einem Grinsen: »Und, wie sieht er aus?«
»Wie Clark Kent«, sagte Jenkins ungerührt, »nur ohne Brille. Aber noch mal: Matt bietet an, Ro jederzeit festzunehmen, mit jeder Begründung, die wir ihm mit auf den Weg geben. So einfach ist das.«
»Nein, so einfach ist das nicht.« Farrell schüttelte mehrfach den Kopf. »Nun hört mal, Leute. Auf diese Art halten wir ihn für zehn Minuten fest – und sehen danach wie Idioten aus. Und obendrein wird uns die Presse ans Kreuz nageln – auch wenn das nicht der entscheidende Punkt ist. Aber nein, so geht’s nicht. Ende der Durchsage. Was ihr braucht … was wir brauchen, ist ein konkretes Vergehen.«
»Wie wär’s mit Mord?«, warf Glitsky ein.
Farrell seufzte. »Geben Sie mir Beweise , Abe, und es passiert auf der Stelle. Versprochen.«
Glitsky schaute zu Jenkins hinüber, die den Ball aufnahm. »Wes, nun hören Sie mal. Dies ist eine Situation, in der Ihre Ermessensfreiheit zum Tragen kommt. Sie können diese Entscheidung ganz alleine treffen.«
Farrell zeigte plötzlich Anzeichen der Erschöpfung. Er führte seine Hand zum Kopf, rieb seine Augen und presste die Finger auf die Schläfe. Da er sehr wohl eine Mitschuld am Tod von Felicia Nuñez bei sich sah, hatte er in der letzten Nacht kaum geschlafen. »Und wie stelle ich das an, Amanda? Wie treffe ich diese Entscheidung?«
»Sie lassen ihn von Abe wegen des Nuñez-Mords verhören. Das ist keine Schikane. Das ist eine berechtigte Anklage, weil er a) tatsächlich schuldig ist, und es b) der überwiegende Teil der Bevölkerung auch gutheißen wird.«
»Gut, vielleicht. Aber
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