Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
…«
»Da gibt es kein Aber. Hören Sie: Sie sind doch besorgt, weil unter normalen Umständen die Beweislage zu dünn ist, um ihm wegen Nuñez den Prozess zu machen. Aber zumindest haben wir ihn dann in Untersuchungshaft – und seine Anwälte müssen sich dann mit dem Wiederaufnahmeverfahren beschäftigen, wann immer auch der Termin festgesetzt wird. Aber auf diese Weise haben wir ihn wenigstens aus dem Verkehr – und verhindern weitere Morde.«
Farrell sank zusammen, lehnte sich zurück und legte seinen Kopf auf ein Kissen. Er seufzte erneut. »Habe ich wirklich meine Energie darauf verschwendet, diesen Job zu bekommen?«, fragte er. »Und kann mir einer von Ihnen sagen, was mich dazu trieb?« Er gab sich einen Ruck. »Das ist ein wundervoller Vorschlag, Amanda, aber wir haben noch immer diese Hürde namens ›hinreichender Verdacht‹, und ohne hinreichende Beweise wird Mr. Curtlee in achtundvierzig Stunden wieder ein freier Mann sein. Und Abe, ganz nebenbei, wird wegen unberechtigter Festnahme selbst angeklagt.«
»Ich denke, wir haben einen hinreichenden Verdacht.«
Farrell warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Nun gut, dann haben wir mal viel Fantasie und glauben Ihnen. Als Nächstes, wie Sie gut wissen, kommt dann die Voruntersuchung. Davon haben Sie vielleicht schon mal gehört. Jemand wird verhaftet, wird von uns angeklagt, wir können den ›hinreichenden Verdacht‹ nicht erhärten – und finden uns dann zehn Tage später bei der Anhörung wieder, um die Beweislage vorzutragen. Liegen keine Beweise vor, ist er frei.«
»Wes, nun hören Sie aber auf.« Jenkins rückte in Ihrem Sessel nach vorne. »Wie viele Voruntersuchungen haben Sie erlebt, bei denen der Beschuldigte laufen gelassen wurde? Zero. Hab ich nicht recht? Vielleicht eine in zehn Jahren. Es passiert so gut wie nie. Was hier zählt, ist nun mal der ›hinreichende Verdacht‹ …«
Duldsam hob Farrell eine Hand. »Bitte, ersparen Sie’s mir. Ich kenne die Rechtslage. Laut Gesetz ist ein ›hinreichender Verdacht‹ dann gegeben, wenn ›eine Person im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte den starken Verdacht hat, dass ein Vergehen begangen wurde und der Angeklagte dieses Vergehen begangen hat‹«.
»Das meine ich doch«, fuhr Jenkins fort. »Wir haben Ros frühere Verurteilung, wir haben seine Verbindung zu Nuñez und ihre – für ihn bedrohliche – Aussage im nächsten Prozess, wir haben die Schuhe … Mein Punkt ist doch: Jede ›Person im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte‹, und dazu gehören nun mal die meisten Richter, wird den ›starken Verdacht‹ haben, dass Ro Nuñez umgebracht hat – und mehr brauchen wir nicht. Es ist eine einfache Entscheidung, Wes, und Sie können sie treffen.«
»Es ist immer noch ein inakzeptables Risiko«, sagte Farrell.
»Das Risiko ist minimal«, antwortete Jenkins. »Nicht riskanter als die Straße zu überqueren. Aber falls Sie sich damit nicht wohlfühlen, haben Sie immer noch die Grand Jury.«
Farrell war diese Möglichkeit natürlich bewusst, er hatte sie sogar selbst schon durchgespielt – auch wenn dieser Weg mit seinen ganz eigenen Risiken behaftet war. Wenn er von der Grand Jury einen Anklagebeschluss bekam, konnte er sich das mögliche Minenfeld einer Voruntersuchung ersparen; im amerikanischen Rechtssystem machte der Anklagebeschluss eine Voruntersuchung hinfällig und war völlig ausreichend, um einem Angeklagten den Prozess zu machen.
Wenn sich Farrell aber für diesen Weg entscheiden würde, hatten Ros Anwälte die Möglichkeit, auf einen Prozessbeginn innerhalb von sechzig Tagen zu pochen – Frist verlängerung ausgeschlossen. Farrell könnte das Gericht um eine Zusammenlegung beider Prozesse bitten, aber Richter wie Baretto würden diesen Antrag vermutlich abweisen. Sollte er aber Ro nur für den Mord an Nuñez anklagen, würde – da war sich Farrell sicher – ihn keine Geschworenen-Jury in San Francisco für schuldig befinden. Innerhalb von zwei oder drei Monaten wäre er wieder auf freiem Fuß. Die Wiederaufnahme des ersten Prozesses – für die Vergewaltigung und den Mord an Sandoval, ohnehin schon problematisch genug – würde unter diesen Umständen noch diffiziler werden.
»Aber selbst bei der Grand Jury«, warf Glitsky ein, »müssten wir zehn Tage bis zwei Wochen auf ein Urteil warten. Ro könnte in der Zeit eine Menge Unheil anrichten.«
»Und aus diesem Grund«, so Jenkins, »plädieren wir dafür, ihn gleich zu verhaften und dann in die Voruntersuchung
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