Der Angeklagte: Thriller (German Edition)
höchstpersönlich mich wissen ließ, dass persönliche Drohungen durchaus zu seinen Verhandlungswerkzeugen zählen.«
»Das liegt bei denen in der Familie.«
»Offensichtlich. Wie dem auch sei: Ich kann noch immer nicht die Bedienungsanleitung für diesen Staatsanwaltschaftsjob finden, für den ich Idiot mich selbst zur Wahl gestellt habe. Er spricht seelenruhig eine Drohung aus – und ich hocke hier im Büro und habe nicht die leiseste Idee, wie ich gegen ihn angehen kann. Ich bin nicht gerade Rambo, wenn ich im Namen des Volkes handeln soll. Langsam glaube ich, dass mir bei aller Liebe einfach die Eier für diesen Job fehlen.«
»Wir werden ihn schon schnappen, Wes. Glauben Sie mir.«
»Irgendwer wird ihn irgendwann sicher schnappen, das glaube ich auch.« Er ging durchs Zimmer und ließ sich auf das Sofa fallen. »Und glauben Sie bitte nicht, mir sei nicht bewusst, wie sehr alles mein Fehler ist.« Er schaute zu seiner Stellvertreterin hoch. »Es tut mir so leid, Amanda – die Sache mit Matt, und mit Ihnen. Von den anderen Opfern ganz zu schweigen. Man sollte mich aus dem Amt jagen.«
»Vergessen Sie das mal schnell wieder«, sagte Amanda beschwichtigend. »Vor allem jetzt, wo Sie kapieren, wie der Job funktioniert.«
»Machen Sie sich nichts vor«, sagte Farrell. »Ich kapiere gar nichts.« Das Handy klingelte an seinem Gürtel, und er schaute auf das Display. »Es ist Sam, ich muss das Gespräch kurz annehmen. Geben Sie mir eine Minute.« Er drückte die Empfangstaste. »Hey … Nein, ich bin … Langsam, langsam. Was? Sie ist was? Mein Gott, ruf die Polizei an und sag, dass sie umgehend einen Wagen schicken. Ich fahr auch sofort los.«
Als er das Handy zuklappte, spiegelte sich die Bestürzung in seinem Gesicht.
»Was?«, fragte Amanda. »Was ist jetzt passiert?«
»Jemand hat meinen Hund umgebracht«, sagte Farrell mit tonloser Stimme. »Sie haben meinen wundervollen Hund umgebracht.«
Glitsky fuhr vom Krematorium zur Polk Street, wo er seinen Wagen abstellte und sich im »Swan Oyster Depot« in die Schlange der Wartenden einreihte. Als er eineinhalb Stunden später mit vollem Magen wieder ans Sonnenlicht trat, hatte er gegen sämtliche Ernährungs vorschriften verstoßen, die für Herzinfarktpatienten oder halbwegs koscher essende Juden eigentlich in Stein gemeißelt waren. Er hatte zwei Dutzend rohe Austern geschlürft, ein halbes Dutzend Muscheln, dazu einen halben Brotlaib mit reichlich Butter, eine halbe Dungeness-Krabbe mit Mayonnaise und noch mehr geschmolzener Butter – und er hatte zwei Bier getrunken. Es war das erste Mal seit drei Jahren, dass er überhaupt einen Tropfen Alkohol angerührt hatte.
Zurück im Auto, rief er Treya in Los Angeles an, doch das Gespräch verlief völlig unbefriedigend. Sie wollte noch immer nicht nach Hause kommen – und ja, den Kindern gehe es prima. Er erwähnte die Marrenas-Kolumne, und sie hatte geantwortet: »Was hast du denn anderes erwartet?« Nach fünf Minuten hatte er sich verabschiedet und dabei »Ich liebe dich« gemurmelt, was sie aber nur mit einem »Okay« quittiert hatte.
Mit quietschenden Reifen war er aus seinem Parkplatz geschossen und fuhr nun, die kalte Wut im Gesicht, zum Haus der Curtlees. Von der Rund-um-die-Uhr-Überwachung war weit und breit nichts zu sehen, was aber dadurch erklärbar war, dass die Kollegen vielleicht irgendwo an Ros Fersen klebten. Die Chance war gering, dass Ro gerade jetzt zufällig aufkreuzen würde – und nur Gott wusste, was in diesem Fall passiert wäre –, aber trotzdem blieb Glitsky in seinem Wagen sitzen, bis er nach zwanzig Minuten einnickte.
Als er rund vierzig Minuten später wieder wach wurde, mit dickem Kopf und belegter Zunge, ließ er den Wagen wieder an, machte einen U-Turn und fuhr in die Innenstadt zurück. Er legte Wert darauf, die Tempoli mits um mindestens dreißig Stundenkilometer zu überschrei ten – in der perversen Hoffnung, von einem Polizisten angehalten zu werden, mit dem er sich dann so richtig hätte fetzen können.
Jeff Elliot, bärtig und wohlgenährt, saß in seinem Rollstuhl im Erdgeschoss des »Chronicle«-Gebäudes, als er informiert wurde, dass sich Glitsky am Empfang befinde und mit ihm sprechen wolle. Die beiden Männer kannten sich seit zwanzig Jahren und waren in dieser Zeit oft genug stillschweigende Verbündete gewesen. Aktuell war Glitsky ein brandheißes Thema, und wenn er Elliot etwas zu sagen hatte, sollte es an Elliot sicher nicht scheitern.
Da stand er nun
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