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Der Anruf kam nach Mitternacht

Der Anruf kam nach Mitternacht

Titel: Der Anruf kam nach Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Zigarette. Mit ihm drang der Geruch von Fisch und Wein zu ihr, der eindeutig von der abgetragenen Jacke ausging, die er trug. Doch als er den Kopf hob, musste Sarah vor Erleichterung lachen. »Nick! Du bist es!«
    Er krauste die Stirn. »Wer sollte es sonst sein?«
    »Deine Sachen …«
    Er sah mit Abscheu auf seine Jacke. »Ist es nicht schaurig? Es stinkt, als hätte ich einen toten Fisch in der Tasche.« Er machte seine Zigarette aus und warf Sarah ein in braunes Papier eingewickeltes Paket zu.
    »Ihre neue Identität, Madame. Ich garantiere Ihnen, niemand wird Sie erkennen.«
    »Ach herrje, ich fürchte mich, es aufzumachen.« Sie riss das Papier auf und holte eine schwarze Kurzhaarperücke, ein Päckchen Haarnadeln und ein einmalig scheußliches Wollkleid heraus.
    »Ich glaube, ich habe schon einmal besser ausgesehen«, seufzte sie.
    »Hör zu, keine Nörgelei, bitte. Du solltest froh sein, dass ich dir keinen Minirock mit Netzstrümpfen besorgt habe. Glaube mir, ich habe das in Erwägung gezogen.«
    Sarah warf einen argwöhnischen Blick auf die Perücke. »Schwarz?«
    »Die war billiger.«
    »Ich habe noch nie so etwas aufgehabt. Wie setzt man sie auf? So?«
    Sein schallendes Lachen ließ sie erröten. »Nein, du hast sie verkehrt herum auf. Komm her, lass mich das machen.«
    Sarah zog die Perücke vom Kopf. »Das wird nicht funktionieren.«
    »Aber gewiss doch. Es tut mir leid, dass ich lachen musste. Du musst sie nur richtig aufsetzen.« Er nahm die Klammern vom Bett. »So, dreh dich um. Zuerst müssen wir dein eigenes Haar aus dem Weg schaffen.«
    Sarah drehte sich gehorsam um und ließ sich von Nick das Haar hochstecken. Er ging schrecklich unbeholfen dabei vor, sie selbst hätte die Sache viel besser gekonnt. Doch bei der ersten Berührung seiner Hände schien eine Wärme und Zufriedenheit sie zu durchströmen. Nie wieder sollte dieses Gefühl zu Ende gehen. Es war so beruhigend, so sinnlich, dass ein Mann ihr Haar streichelte, besonders ein Mann, der so warme und zärtliche Hände hatte wie Nick.
    Während Sarahs Schultern sich entspannten, spürte Nick die eigene Erregung in unerträglichem Ausmaß steigen. Selbst während er mit den Haarnadeln kämpfte, konnte er nicht umhin, auf die glatte Haut von Sarahs Nacken zu schauen. Sein Blick glitt tiefer, über die zarten Knöchel ihres Schlüsselbeines zum Kragen ihrer Bluse. Die Haarsträhne in seinen Händen fühlte sich geschmeidig an. Wie heißer Strom durchzuckte es ihn. Sein alter Wunschtraum kam ihm wieder in den Sinn: Sarah, die nackt und mit lose auf die Schultern fallendem Haar in seinem Schlafzimmer vor ihm stand …
    Er zwang sich dazu, sich auf seine Beschäftigung zu konzentrieren. Was tat er? Ach ja, die Perücke. Mit noch ungeschickteren Fingern steckte er die Haarklammern fest.
    »Aua! Das piekst, Nick.«
    »Entschuldigung.« Er setzte ihr schließlich die Perücke auf und drehte Sarah zu sich herum. Ihr Gesichtsausdruck – eine Mischung aus Zweifel und Resignation – brachte ihn zum Lächeln.
    »Ich sehe ziemlich blöd aus, nicht wahr?«, seufzte sie.
    »Nein, nur anders. Und das war ja der Zweck vom Ganzen.«
    Sie nickte. »Ich muss blöd aussehen.«
    »Aber nein. So, probier jetzt das Kleid an.«
    »Was ist denn das?«, fragte Sarah und hielt das Gewand mit spitzen Fingern in die Höhe. »Eine Einheitsgröße für jede Figur?«
    »Ich weiß, es ist zu groß, aber ich konnte nicht daran vorbei. Es war …«
    »Sag es mir nicht. Ein Sonderangebot, richtig geraten?« Sarah lachte. »Nun, wenn wir schon ein Paar abgeben wollen, dann müssen wir auch zueinander passen.« Sie musterte seine verschlissene Kleidung. »Was sollst du überhaupt vorstellen? Einen Landstreicher?«
    »Dem Geruch dieser Jacke nach zu urteilen, müsste ich ein betrunkener Fischer sein. Und so machen wir dich zu meiner Frau. Nur eine Ehefrau würde es neben so einem Gammelbruder wie mir aushalten.«
    »Na schön, ich bin deine Frau. Deine sehr hungrige Frau. Können wir jetzt etwas essen gehen?«
    Nick ging ans Fenster und sah hinaus auf die Straße. »Ich glaube, es ist dunkel genug. Warum ziehst du dich nicht um?«
    Sarah fing an, sich auszuziehen. Nick sah stur aus dem Fenster und bemühte sich sehr, nicht auf die verführerischen Geräusche hinter sich zu achten – ein Knistern, als sie die Bluse von den Schultern gleiten ließ, das Rascheln, als sie den Rock über die Hüften streifte.
    Und plötzlich wurde ihm bewusst, in welch lächerlichen Situation er sich

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