Der Anruf kam nach Mitternacht
verwickelt.«
»Wir könnten nach Hause fliegen – nach Washington …«
»Glaubst du ernsthaft, dort sei es sicherer?«
Nein, dachte Sarah mit steigender Verzweiflung. Nick hatte Recht, zu Hause wäre es nicht sicherer. Sie hatten keinen Zufluchtsort mehr.
»Wohin sollen wir dann?«, fragte sie hilflos.
Nick sah auf seine Uhr. »Jetzt ist es zwölf«, meinte er. »Wir lassen den Wagen stehen und nehmen in Dover die Fähre. Es dauert nicht lange bis Calais. Dann fahren wir mit dem Zug nach Brüssel. Und dort verschwinden du und ich, jedenfalls für eine Weile.«
Sarah starrte benommen auf die Straße. Eine Weile?, fragte sie sich. Wie lange dauert eine Weile? Immer? Werde ich wie Eve sein, ständig auf der Flucht?
Noch vor einer Stunde, auf den Klippen von Margate, hatte sie ganz deutlich gewusst, was sie zu tun hatte: Sie musste Geoffrey finden und damit die Wahrheit über ihre Ehe erfahren. Jetzt ging es um ein entschieden elementareres Ziel.
Sie musste überleben.
Über Geoffrey würde sie später nachdenken.
Ihr fiel auf, wie fest Nick noch immer das Lenkrad umklammert hielt. Auch er hatte Angst. Das erschreckte sie am meisten – die Tatsache, dass selbst Nick O’Hara sich fürchtete.
»Ich glaube, ich werde dir wohl vertrauen müssen«, sagte sie.
»Es sieht ganz so aus.«
»Wem können wir sonst noch trauen, Nick?«
Er blickte sie an. Die Antwort, die er ihr gab, klang erschreckend endgültig. »Niemandem!«
Roy Potter nahm den Hörer beim ersten Klingeln ab. Was er dann hörte, ließ ihn das Tonbandgerät mitlaufen lassen. Durch das Surren der Leitung kam die Stimme von Nick O’Hara. »Ich habe Ihnen etwas mitzuteilen.«
»O’Hara?«, schrie Potter. »Wo zum Teufel …«
»Wir steigen aus, Potter. Bleiben Sie uns vom Leibe!«
»Sie können nicht einfach verschwinden! Hören Sie, O’Hara! Sie brauchen uns!«
»Zum Teufel mit Ihnen!«
»Glauben Sie wirklich, dass Sie da ohne uns am Leben bleiben?«
»Ja, das glaube ich. Hören Sie gut zu, Potter. Sehen Sie sich Ihre Leute ganz genau an. Bei Ihnen ist etwas faul im Staate Holland. Und sollte ich feststellen müssen, dass Sie dafür verantwortlich sind, werde ich dafür sorgen, dass Sie kaltgestellt werden.«
»Warten Sie, O’Hara …«
Die Leitung war tot. Fluchend legte Potter auf. Dann sah er schweren Herzens über den Schreibtisch zu Jonathan van Dam hin. »Sie leben«, sagte er.
»Wo sind sie?«
»Das wollte er nicht sagen. Wir werden versuchen herauszufinden, woher der Anruf kam.«
»Kommen die beiden wieder?«
»Nein, sie tauchen unter.«
Van Dam beugte sich über den Schreibtisch. »Ich will sie haben, Potter. So schnell es geht. Ehe jemand anderes sie erwischt.«
»Sir, O’Hara fürchtet sich. Er traut uns nicht …«
»Das wundert mich nicht, wenn ich an den letzten Patzer denke. Finden Sie sie!«
Potter griff nach dem Telefon und warf im Stillen Nick O’Hara jede nur erdenkliche Verwünschung an den Kopf. Dies war alles seine Schuld. »Tarasoff?«, bellte er. »Haben Sie die Telefonnummer? … Was zum Teufel soll das heißen – irgendwo aus Brüssel? Ich weiß längst, dass er in Brüssel ist! Ich will verdammt noch mal seine Adresse!« Er knallte den Hörer auf.
»Einfache Überwachung«, sagte van Dam spöttisch. »Das war doch Ihr Plan, nicht wahr? Was ist passiert?«
»Ich hatte zwei gute Agenten auf diese Fontaine angesetzt. Ich weiß nicht, was schiefgelaufen ist. Einer meiner Leute ist noch verschwunden, und der andere liegt im Leichenschauhaus …«
»Lassen Sie mich mit Ihren toten Agenten in Ruhe. Ich will Sarah Fontaine. Haben Sie die Bahnhöfe und Flughäfen bewachen lassen?«
»Das Brüsseler Büro kümmert sich darum. Ich fliege heute Abend selbst hin. Auf ihren Bankkonten gab es Bewegungen – große Abhebungen. Es sieht so aus, als wollten sie für eine ganze Weile untertauchen.«
»Halten Sie die Konten im Auge. Bringen Sie ihre Fotos in Umlauf, bei der örtlichen Polizei, Interpol, bei jedem, der zur Zusammenarbeit bereit ist. Nehmen Sie sie nicht fest, orten Sie sie nur. Und dann brauchen wir ein Psychogramm von O’Hara. Ich will wissen, welche Motive er haben könnte.«
»O’Hara?«, schnaubte Potter. »Über den kann ich Ihnen alles Wissenswerte erzählen.«
»Was, glauben Sie, wird er wohl als Nächstes unternehmen?«
»Er ist neu in diesem Geschäft. Er weiß nicht, wie man zu einer neuen Identität kommt. Aber er spricht fließend Französisch. Er könnte sich nach Belgien
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