Der Anruf kam nach Mitternacht
wenigen Augenblicken so harmlos angefangen hatte, war unvermittelt anders geworden. Alles um sie herum trat in den Hintergrund: der Raum voller Fremder, das Gelächter, der Rauch. Da waren nur Nicks Gesicht und seine Augen, hell wie Silber, die voll auf sie gerichtet waren.
»Ja«, sagte er noch einmal, so leise, dass sie ihn kaum hörte. »Wir sind verrückt nacheinander.«
Das Geräusch des Glases, als es auf den Tisch stieß, riss sie in die Wirklichkeit zurück. Ich bin betrunken, dachte sie. Ich muss betrunken sein, mich so aufzuführen …
»Sarah? Stimmt etwas nicht?«
Ihr Stuhl kippte um, als sie vom Tisch aufsprang und aus dem Lokal rannte.
Die Nachtluft schlug Sarah kalt ins Gesicht. Auf halbem Weg die Straße hinunter hörte sie Nicks Schritte hinter sich. Sie blieb erst stehen, als er sie von rückwärts festhielt und zu sich herumzog.
»Sarah. Warte!«
»Es ist alles nur Täuschung, Nick!«, sagte sie und versuchte verzweifelt, sich loszumachen. »Das ist alles! Nur ein albernes Spiel!«
»Nein, es ist kein Spiel mehr. Nicht für mich!«
Nick zog sie so unvermittelt an sich, dass ihr keine Zeit blieb, sich zu wehren oder überrascht zu sein.
Er schmeckte nach Wein, nach diesem herben Landwein, und alles drehte sich vor ihr, als wäre sie betrunken. Sie versuchte, ihre Gefühle zu begreifen, aber in diesem Augenblick war ihr Verstand wie gelähmt. Ihre Lippen öffneten sich, sie schlang die Hände um seinen Nacken und fuhr durch sein feuchtes Haar.
»Sarah, oh Sarah«, stöhnte er und hielt sie von sich ab, um sie ansehen zu können. »Es ist kein Spiel. Es ist Wirklichkeit. Es ist echter als alles, was ich je empfunden habe.«
»Ich habe Angst, Nick. Ich fürchte mich davor, einen neuen Fehler zu begehen. So, wie Geoffrey und ich …«
»Ich bin nicht Geoffrey. Ich bin nur ein ganz normaler Mann. Ich bin – Sarah, ich bin einsam. Ich bin es schon so lange. Und ich will dich! Ich will dich so sehr, alles andere ist für mich unwichtig …«
Mit einem Seufzen zog er sie in die Arme und hielt sie fest umschlungen.
Aus dem leichten Nieseln wurde Regen und die Tropfen platschten auf das Kopfsteinpflaster. Lachend rannten Sarah und Nick an den Häuserblocks entlang, vorbei an Pärchen, die sich unter ihren Schirmen eng aneinanderschmiegten, vorbei an einer Bäckerei, aus der es nach Brot und Kaffee duftete.
Als sie die Treppe zu ihrem Zimmer hochrannten, waren sie bis auf die Haut durchnässt. Sarah stand neben dem Bett, und das Wasser tropfte von ihrer Kleidung. Nick verriegelte die Tür. Er drehte sich um und sah ihr schweigend zu, wie sie die Perücke abnahm und ihr Haar freischüttelte. Feuchte, kupferrote Wellen fielen ihr auf die Schultern. Das Licht der kahlen Glühbirne warf von oben eigenartige Schatten über Nicks Gesicht. Regentropfen rannen aus seinem Haar über die Wangen.
Er kam auf sie zu, mit feurigen Augen. Unter der Berührung seiner Hände auf ihrem Gesicht erschauerte sie. Zart drückte er die Lippen auf ihren Mund. Er ließ die Hände ihren Hals entlanggleiten und hielt am obersten Knopf ihres Kleides inne. Er öffnete einen Knopf nach dem anderen, bis es ihm möglich war, ihre Brust in die Hand zu nehmen und sie zu liebkosen. Er tat es, während er Sarah hart küsste.
Sie zitterten beide. Ein Feuer brannte in ihnen, das außer Kontrolle zu geraten drohte.
Nick zog sein Jackett aus und ließ es auf den Boden fallen. Sein nasses Hemd war wie Eis gegen ihre nackten Brüste. Sie sanken auf das Bett, und mit ungeduldigen Händen öffnete er sein Hemd, streifte es von den Schultern und warf es hinter sich.
Sarah erinnerte sich daran, was sie an diesem Abend schon einmal gedacht hatte. Nick würde sie nicht sanft nehmen, er würde sie lieben.
Aber wollte sie das auch? Sie empfand die gleiche Sehnsucht wie er. Er musste das spüren! Er spürte auch ihre Verwirrung. Er runzelte die Stirn, beugte sich zurück und sah sie an. »Du zitterst ja, Sarah«, flüsterte er.
»Warum?«
»Ich habe Angst, Nick.«
»Wovor? Vor mir?«
»Ich weiß es nicht. Vor mir selbst, denke ich … ich habe Angst, mich schuldig zu fühlen …«
»Wenn wir uns lieben?«
Sie schloss die Augen. »Ach, Nick, was mache ich? Er lebt. Nick, mein Mann ist am Leben …«
Er betrachtete sie aufmerksam, als versuchte er, in sie hineinzusehen. Unter seinem Blick brach ihr ganzer Selbstschutz zusammen. Noch nie hatte sie sich so nackt gefühlt. »Welcher Mann, Sarah? Simon Dance? Geoffrey? Ein Geist, den es
Weitere Kostenlose Bücher