Der Anruf kam nach Mitternacht
befand.
Vier Jahre lang hatte Nick O’Hara es fertiggebracht, in einer ganz vernünftigen Weise unabhängig zu leben. In diesen vier Jahren hatte er sich keiner Frau gegenüber gefühlsmäßig geöffnet. Und dann, ganz unerwartet, war ausgerechnet Sarah Fontaine aus dem Nichts aufgetaucht. Sarah, die offensichtlich noch in Geoffrey verliebt war. Sarah, die es in nur zwei Wochen fertiggebracht hatte, dass er seinen Job verlor, beschossen wurde und mit dem Auto fast im Graben gelandet wäre. Das war ein spektakulärer Anfang!
Er konnte kaum erwarten herauszufinden, was als Nächstes passieren würde.
8. KAPITEL
Nick und Sarah saßen an einem Holztisch in der von Gelächter und Rauch erfüllten Kneipe und teilten sich eine Flasche Burgunder. Der Wein war schwer und herb. Ein richtiger Landwein, dachte Sarah, während sie ihr drittes Glas leerte. Mit der Zeit fand sie den Raum zu warm und zu hell.
Durch den dichten Zigarettenqualm sah sie, dass Nick sie anlächelte. Wie jemand, der sein Leben lang hart und schwer gearbeitet hatte, ließ er die Schultern müde herabhängen. Bartstoppeln gaben ihm einen etwas verwahrlosten Eindruck. Sarah konnte kaum glauben, dass er derselbe Mann war, den sie zwei Wochen zuvor in einem eleganten Büro der Regierung kennengelernt hatte. Andererseits war aber auch sie nicht mehr dieselbe Frau. Die Angst und die Umstände hatten sie beide verändert.
»Du hast ja einen recht gesunden Appetit«, stellte Nick fest und wies kopfnickend auf ihren leeren Teller. »Fühlst du dich jetzt wohler?«
»Sehr viel besser. Ich war halb verhungert.«
»Kaffee?«
»Gleich. Erst einmal möchte ich meinen Wein austrinken.«
Kopfschüttelnd griff er über den Tisch und schob ihr Glas beiseite. »Vielleicht solltest du lieber aufhören. Wir können es uns nicht erlauben, unachtsam zu werden.«
Sie sah irritiert auf das verschobene Glas. Wie üblich versuchte Nick O’Hara ihr vorzuschreiben, was sie zu tun hatte. Es war an der Zeit, sich zur Wehr zu setzen. Ganz energisch zog sie das Glas wieder zu sich heran. »Ich bin nie in meinem Leben betrunken gewesen«, erklärte sie stolz.
»Dies wäre auch der ungeeignetste Augenblick, um damit anzufangen.«
Sie sah ihn fest an, während sie den nächsten Schluck nahm. »Ist das eines deiner Hobbys, Leute herumzukommandieren?«
»Wie meinst du das?«
»Seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, hast du alles beherrscht, nicht wahr?«
»Dich? Oder die Situation?«
»Beides.«
»Sarah, ich weiß, dass du auf dich selbst aufpassen kannst, jedenfalls unter normalen Umständen. Aber diese Umstände sind nicht normal.«
Dagegen konnte sie nichts einwenden. »Schön«, seufzte sie, »das will ich zugeben, Nick. Ich fürchte mich, und ich bin es leid. Ich habe es satt, darüber nachdenken zu müssen, wer ein Freund ist und wer nicht.«
Sie sah ihm fest in die Augen. »Aber unterschätze mich nicht, Nick. Ich werde wirklich alles tun, um am Leben zu bleiben.«
»Gut. Dann halte dir vor Augen, dass du jetzt nicht mehr Sarah Fontaine bist. Das geht nicht mehr, nicht in der Öffentlichkeit. Vergiss sie.«
»Und wie?«
»Bilde dir ein, eine andere Person zu sein. Bis in das kleinste Detail. Werde zu diesem Menschen. Wer bist du jetzt? Beschreibe dich!«
Sarah dachte einen Moment lang nach. »Ich bin … ich bin die Frau eines Fischers … aus armseligen Verhältnissen … Mein Mann …« Plötzlich sah sie Nick sehr aufmerksam an. »Ich meine … du … du bist nicht oft zu Hause …«
»Sind wir glücklich?«
»Ich weiß es nicht. Sind wir es?«
Nick legte nachdenklich den Kopf zur Seite. »Da ich der eine Teil dieses erfundenen Paares bin, werde ich meine Meinung dazugeben. Ja, wir sind glücklich …«
Auf einmal sahen sie sich an, wie zwei Fremde, die zum ersten Male begreifen, dass sie sich gut verstehen. Nicks Blick wurde weich. Sarah dachte plötzlich darüber nach, wie es sein könnte, wenn sie unter ihm auf ihrem harten Bett liegen würde. Wenn sie sein erdrückendes Gewicht auf sich spürte. Obwohl Geoffrey ein zarter Liebhaber gewesen war, hatte er doch immer etwas Kühles und Leidenschaftsloses an sich gehabt. Sie ahnte, dass Nick anders sein würde. Er würde sie wie ein Verhungernder lieben.
Nick ließ seine Finger über ihre Hand gleiten. Ein wohliger Schauer überrieselte Sarah. »Ja, wir sind verrückt nacheinander …«
Etwas an seinem Ton ließ sie den Atem anhalten. Dieses In-eine-andere-Rolle-Schlüpfen, das noch vor
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